Schlagwort-Archive: Wissenschaftsreform

Meilensteintagung des Forschungsverbundes „Interactive Science“

Rauischholzhausen1

Rauischholzhausen1

Im wunderschönen Schloss Rauischholzhausen bei Gießen fand vom 09.-11.09.09 die erste Meilensteintagung des Forschungsverbundes „Interactive Science“ (Weblog des Forschungsverbundes, Interactive Science bei Wissenslogs) zum Thema „Kommunikationsformate und ihre Dyamik in der internen und externen Wissenschaftskommunikation“ statt. Der interdisziplinär zusammen gesetzte Forschungsverbund ergründet, wie sich Wissenschaftskommunikation unter dem wachsenden Einfluss digitaler Medien verändert, ob sich auch in Zukunft klare Grenzen zwischen interner und externer Wissenschaftskommunikation werden ziehen lassen und welche neuen Formen und Formate der Wissenschaftskommunikation sich „dazwischen“, also zwischen „interner Wissenschaftskommunikation“ unter Wissenschaftlern und „externer Wissenschaftskommunikation“ zwischen Wissenschaft(ler) und Öffentlichkeit herausbilden (Fotoalbum).

Eine ausführlichere Würdigung zu dieser sehr lebhaften und anregenden Tagung, deren Twitter-Nachrichtenstrom man sich unter dem Hashtag #Insi09 anschauen kann, liefere ich demnächst an dieser Stelle nach.

Vorab möchte ich schon den Eröffnungsvortrag von Michael Nentwich (@cyberscientist) vom Institut für Technikfolgenabschätzung an der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien zum Thema „Cyberscience 2.0“ hervorheben. Hier auch die Folien zu meiner Präsentation zur „internetöffentlichen Netzwerkwissenschaft“ und der Problematik des Vertrauens:

Zu den ersten „Lessons learned“ gehört für mich, dass Open Access als Publikationsweg bei den Kollegen aus den Naturwissenschaften mit erheblich größerem Nachdruck eingefordert wird als ich das bisher bei den Sozial- und Geisteswissenschaften wahrgenommen habe und dass viele Wissenschaftler schon sehr gute Erfahrungen mit Open Acces Journals gemacht haben.

Lars Fischer (Abgefischt; @fischblog) macht sich dafür stark, eine Petition für Open Access beim deutschen Bundestag einzureichen und hat dafür eine Diskussion bei der Wikiversity einegerichtet und bittet um Reaktionen zur Idee einer Petition für Open Access. Der Text, den Lars Fischer vorschlägt, lautet wie folgt:

Der Bundestag möge beschließen, dass wissenschaftliche Publikationen, die aus öffentlich geförderter Forschung hervorgehen, allen Bürgern kostenfrei zugänglich sein müssen. Institutionen, die staatliche Forschungsgelder autonom verwalten, soll der Bundestag auffordern, entsprechende Vorschriften zu erlassen, sofern noch nicht vorhanden.

Werbung

Der Ruf nach politischer Regulierung als Ablenkung von eigener Verantwortung?

Nur äußerlich, liebe Besucher, nur noch äußerlich gleicht Ihre Alma Mater der Universität, in der Sie mal studiert haben. Sie haben einen Magister, ein Diplom oder gar eine Promotion erworben? Der Marktwert Ihres Studienabschlusses wird sich demnächst mit dem der Absolventen der neuen BA., MA. und Ph.D. messen lassen müssen. Sie haben im Studium von der Verquickung von Forschung und Lehre profitiert? Diese Erwartung wird sich für die Zukunft wohl kaum aufrecht erhalten lassen, denn separate Förderung der Forschungsuniversitäten und Aufstockung der Lehrdeputate bewirken, dass Lehrende weder Anreize noch Möglichkeiten mehr haben, Impulse aus der Forschung in ihre Lehrtätigkeit einfließen zu lassen. Ihre Bibliothek schloss um 18 Uhr am Abend? Nicht länger, denn nächtliche Öffnungszeiten werden aus Studiengebühren finanziert und durch private Sicherheitsdienste ermöglicht. Dafür erwarten Sie, dass Studierende der Soziologie mit verbesserter Ressourcenausstattung von entrichteten Gebühren profitieren? Dies wiederum verhindern neu erdachte Rechenschlüssel, anhand derer bestimmt wird, was als „Student“ gezählt wird. Diese Schlüssel wiederum sind in den Universitätsorganen hart umkämpft, denn sie sind entscheidend für die Verteilung der Gelder aus Gebühren auf die Studiengänge einerr Hochschule. Ergebnis ist beispielsweise, dass ein realer Student der Soziologie an der Universität Würzburg mit seinen Gebühren von € 500 pro Semester den Kommilitonen der Naturwissenschaften einen Teil ihrer Ausbildung finanziert und ein Student der Universität Bamberg den angehenden Ökonomen. Ausdruck offenkundiger Steuerungsbegeisterung sind Online-Anmeldungssysteme: Schon vor Jahren zeigten sich Hochschulverwaltungen daran interessiert, alle leistungsbezogenen Kenngrößen zentral zu verwalten, auch Lehrveranstaltungen. Vorlesungsverzeichnisse online versprachen mehr Aktualität und Flexibilität bei der Organisation der Lehre. Während der Jahre notorischer Überfüllung entwickelten Dozenten einen Bedarf an der Regulierung der Teilnehmerzahlen, um Ablauf, Literatur und Didaktik besser planen zu können. Resultat ist, dass heute weder die Gebühren zahlenden Studierenden Anspruch auf Zugang zu ihren Wunschveranstaltungen haben, noch Dozenten die Planbarkeit ihrer Lehrveranstaltungen gewährleistet sehen: Anders als angekündigt kann der Dozent die Studierenden nicht vom ersten Semestertag an erreichen, da sie für ihre Anmeldung die von den Hochschulen vergebenen Mailadressen verwenden und nicht die, die sie tatsächlich benutzen. Auch melden sich die Studenten prophylaktisch zu vielen Seminaren an und wählen erst danach aus, welche davon sie tatsächlich besuchen möchten. Hinzu kommt ein drastischer Rückgang der jährlichen Immatrikulationen um 18.000 infolge der Einführung der Studiengebühren (Studie HIS). Darüber hinaus sichern einzelne Professoren ihren Mitarbeitern zusätzliche Taschengelder mit Lehrtätigkeit. So hatte die Universität Bamberg in einem einzigen Semester eine Vielzahl von Proseminaren im Fach Spezielle Soziologie mit dem Titel „Familie und … “. Vielseitigkeit und Breite des Lehrangebots werden so nicht gesichert. Weiterlesen

Institutstag MPIfG – ein nicht-rankingtauglicher Eintrag und drei Fragen zum Wissenschaftsbloggen

Am 1. und 2. Oktober 2008 hielt das MPIfG Köln erstmals seinen Institutstag ab, eine Veranstaltung für Mitarbeiter, Ehemalige, Freunde und Förderer, die Raum für Reflexion bietet. Die Direktoren stellen ihre laufende Arbeit der Diskussion und Kritik durch Kommentatoren, und das Institut reflektiert seine Marschrichtung. Da es sich um eine Veranstaltung in einem geschützten Raum handelt, berichte ich hier v.a. mit Bezug auf bereits veröffentlichte Schriften. Zum Schluss beantworte ich drei Fragen, die mir in Reaktion von Forschern auf sozlog häufiger begegnet sind: 1.Was ist blogbar? 2. Ist Bloggen zum Schaden in Rankingbewertungen? 3. Ist Wissenschafts-PR noch zeitgemäß? Weiterlesen

Neues aus der Bildungsanstalt: 11 Herausforderungen an die deutsche Universität

200 Jahre nach Alexander von Humboldt steht die deutsche Universität für Aufklärung, Theorie, Erkenntnis, Beobachtung und Experiment, systematische Reflexion, rationalen Diskurs und eine wundervolle Vielfalt unterschiedlicher Disziplinen. Die Universität (ich verwende den Begriff bewusst breit für das Wissenschaftswesen) ist eine altehrwürdige Institution, doch zugleich ruhen auf ihr die Hoffnungen der heutigen Wissensgesellschaft. Sie soll Wissensvermehrung, Märkte für Wissensgüter und hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte hervorbringen und sich in eine kapitalistische Wirtschaft einfügen. Generationen von Akademikern sind ihrer Alma Mater mit Stolz und Dankbarkeit verbunden. Leider erweckt das Erscheinungsbild der deutschen Universität gegenwärtig Zweifel an ihrer Zukunftsfähigkeit.

Update: Aus den ursprünglichen 10 Herausforderungen für die deutsche Universität sind 11 geworden. Hier sind die ersten 5 Herausforderungen zu lesen, 6 weitere folgen in Teil 2. Ich freue mich auf Meinungen und Anregungen und möchte meinerseits die Frage voranstellen, welche Herausforderungen über diese Liste hinaus ich vielleicht vergessen habe.

(1) Das Reform-Desaster der Wissenschaftspolitik

Viele Professoren echauffieren sich über das Reformdesaster der Wissenschaftspolitik aus Brüssel und Berlin: Exzellenzinitiative und Bologna-Prozess [siehe Soziologie 2008, Hefte 1, 2, 3; Nida-Rümelin 2006; 2008]. Die Exzellenzinitiative des Bundes beinhaltet, dass einzelne Universitäten in einem standardisierten Verfahren der Bemessung und Bewertung von Forschungsleistung als herausragende Forschungsstandorte identifiziert und mit zusätzlichen Finanzmitteln als Forschungsstandort gefördert werden. In der offiziellen Darstellung bleibt meist ausgespart, dass den nicht als exzellent identifizierten Universitäten wenig mehr übrig bleibt als sich auf die Lehre zu konzentrieren [BMBF; Wissenschaftsrat; DFG].
Weiterlesen