Schlagwort-Archive: Wirtschaft

Soziale Ungleichheit nach Ländern

Visual Economics hat eine schöne Übersicht zur Einkommensverteilung im internationalen Vergleich.

Die Lorenzkurve wird verwendet, um anzuzeigen, welche Bevölkerungsanteile für das Einkommen einer Gesellschaft verantwortlich sind und welche Anteile nur geringe Einkommen erzielen. Je näher die Lorenzkurve einer geraden Linie im 45-Grad Winkel kommt, desto gleichmäßiger ist das Einkommen in einer Bevölkerung verteilt, je stärker die Kurve gewölbt ist, desto stärker ist die Einkommensungleichheit in einer Bevölkerung ausgeprägt. Wenn man den Bereich oberhalb und unterhalb der Kurve aufteilt, erhält man den Gini-Koeffizienten. Je geringer der Gini-Koeffizent, desto gleichmäßiger ist das Einkommen in einer Bevölkerung verteilt. Schweden weist mit 0,23 den geringsten Gini-Koeffizienten im internationalen Vergleich auf.  Da fragt man sich, weshalb Deutschland trotz Wirtschaftskrise so ausgeglichen aussieht. Weiterlesen

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Bringt der Klimagipfel von Kopenhagen neue Spielregeln für Märkte?

Der Klimagipfel von Kopenhagen bringt eine öffentliche Aufmerksamkeit für die Problematik von globaler Erderwärmung, CO2-Emissionen und den Lebensbedingungen für unsere Kinder und Enkel mit sich wie man das seit Jahren nicht mehr erlebt hat. Das Nachrichtenaufkommen, aber auch das Blog- und Twitteraufkommen sind deutlich angestiegen. Zugleich erleben wir eine erhebliche Verschärfung der Tonlage im Klimadiskurs: Ist der Mensch schuld am Klimawandel? Oder ist der Klimawandel schlicht eine Erfindung von Panikmachern? Weiterlesen

Locked in flexibility? DGS-Kongress Unsichere Zeiten in Jena I

Kongresse der Deutschen Gesellschaft für Soziologie erfahren gewöhnlich ein mittelprächtiges Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit. Sie werden von vielen Politikern – nicht allen- mit der Tonlage „versteht eh Mensch, was Ihr da macht, und zu was soll das nütze sein?!“ kommentiert, und am Ende des Tages stellt man fest, dass der Kongress nur mit einer geringen Zahl von Artikeln in der überregionalen Presse vertreten ist:  Diesmal hat die Gesellschaft aus der Presse über sich erfahren dürfen, dass Soziologen vor Rebellionspotenzial warnen oder ihr umgekehrt einiges Rebellionspotenzial zutrauen, Ungleichheit neu vermessen werden muss und Gier nicht alles ist [Netzzeitung, Welt; Tagesspiegel; Printausgabe NZZ 10.10.08, S. 26].

Während die Tagung eröffnet wurde, habe ich den Fernseher eingeschaltet und Kursstürze in Frankfurt und New York angeschaut. Katastrophales Krisenmanagement der deutschen Bundesregierung, so der Tenor. Dienstag morgen haben sie Kursstürze aus New York und Tokyo vermeldet. Dienstag Abend verkündeten die Nachrichten, dass mit Island der erste europäische Nationalstaat am Rand der Zahlungsunfähigkeit steht. Mittwoch früh verpasste die britische Regierung ihren Geschäftsbanken eine Liquiditätsspritze, während die Kommentatoren von CNN das internationale Bankensystem verabschiedeten. Donnerstag morgen führten die Kommentatoren bei CNN eine erregte Diskussion, wie es denn möglich sei, dass man jetzt eine solche Krise erlebe, wo man doch alle Lektionen aus der Finanzkrise am Standort Tokyo in den 1990er Jahren umgesetzt habe. Irgendein Sender präsentierte ein verzweifeltes Ehepaar, das seine gesamten Ersparnisse bei Lehmann Brothers angelegt hatte. Geplatzt alle Träume von einer gesicherten Zukunft. Aber nur ein Extremfall, betonte der Sender. Donnerstag Abend fand Rivva eine Meldung, wonach der Bundesrat in Reaktion auf die Klagewelle zu Hartz IV kommenden Freitag eine Gesetzesvorlage der großen Koalition plant, der die Rechtsberatung für Bezieher von Hartz IV erschwert und die den Rechtsweg erheblich verteuern soll [Welt]. Hätten die Menschen keinen Deutungsbedarf, bräuchte man keine Soziologie. Doch der Kongress „Unsichere Zeiten“ war von allen DGS-Kongressen, die ich bisher mitbekommen habe, der aktuellste und zudem einer der besten.

Plenum Korruption

Die Tagung „Unsichere Zeiten“ hat mich zunächst ins Plenum I über Korruption der DGS-Sektion politische Soziologie geführt. Dort diskutierte Wolfgang Hetzer (Brüssel) Korruption aus einer juristischen Perspektive als „Corporate Culpability“. Er stellte die Frage nach der Schuld und Moralfähigkeit von Unternehmen wie z.B. in der Siemens-Affäre. Aus einer Perspektive der Korruptionsbekämpfung stellt sich ihm pragmatisch die Frage nach der Zurechenbarkeit von Schuld und den Möglichkeiten, Organisationen für ihr Korruptionshandeln verantwortlich zu halten: Ist Korruption etwa ein Strafrechtsphänomen? Ein Fall fürs Dienstrecht? Ein Organisationsphänomen? Ist den  Personen nicht bewusst, dass sie Teil der Korruption ihrer Organisation sind? Noch bis vor wenigen Jahren galt Korruption als Kavaliersdelikt, erst seit Mitte der 1990er Jahre wird Korruption öffentlich angeprangert, und erst in den letzten Jahren hat Korruption – etwa Bestechungshandeln – Eingang ins Strafgesetzbuch gefunden.

Gegen die Nahelegung des Nichtwissens der Akteure korrupten Handelns in Organisationen, somit auch gegen Annahme der Schuldunfähigkeit korporativer Akteure bzw. juristischer Personen wandte sich Peter Graeff (München) ebenfalls am Beispiel der Siemens-Affäre. Weiterlesen

Hartz IV – Überhitzte Mediendebatte und Wohlfahrtswirklichkeit

In seiner Reihe „Ratgeber & Magazine“ strahlt SAT 1 eine Doku-Reihe mit dem Titel „Gnadenlos gerecht – Sozialfahnder ermitteln“ aus. Darin spüren Mitarbeiter einer ARGE Verdachtsfällen von Sozialbetrug nach. Demnächst wird die Serie abgesetzt. In einer Erklärung teilt Landrat Peter Walter vom Landkreis Offenbach mit, es werde keine weiteren Reportagen mit dem privaten TV Sender Sat. 1 im Bereich „Soziale Ermittlung“ geben. Zugleich rechtfertigt er seine Entscheidung, der TV Produktionsfirma die Erlaubnis erteilt zu haben, die beiden „Sozialfahnder“ begleiten zu lassen. Eine erneute Staffel werde nicht gesendet, doch die zwei verbleibenden von vier Sendungen werden noch ausgestrahlt. In Anlehnung an die SAT 1-Serie bläst die BILD zur Jagd auf Hartz IV Bezieher. Anders als bei der SAT-1 Serie, die sich um Ausgleich bemüht zeigt und gelegentlich über Notlagen hilfsbedürftiger Menschen berichtet, beinhaltet „der grosse Hartz IV-Report“ der BILD zunächst im Portrait-Stil Artikel über Arbeitslose und Jobvermittler, gefolgt von reißerischen Artikeln über Hartz-IV-Betrüger, Sozial-Schmarotzer und Anwälte, die den Betrügern behilflich sind. Die Kernbotschaft lautet: Sozialbetrug stelle nicht die Ausnahme, sondern den Regelfall dar. Das Arbeitslosengeld II müsse gesenkt werden, um Anreize zum Arbeiten zu setzen. Ein Aufheizen der politischen Stimmung wird mindestens bereitwillig in Kauf genommen [siehe SPIEGEL 1, 2]. Die drastischen Beispiele aus der BILD erscheinen mir zudem unglaubwürdig, denn die abgelichteten Personen, die sich stolz und frech vor der Kamera präsentieren, werden anders als die gezeigten Personen in der in der SAT 1-Serie nicht unkenntnich gemacht. Weiterlesen