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How trust and influence work together: Nobel Peace Prize ‚A Call to Action‘

The Nobel peace price for US President Barack Obama has been debated much on the web in recent days. I would like to put aside all the discussion on whether or not Obama deserves the price or whether it comes to early etc. and offer another interpretation. The idea that came to me was that Peace Nobel Price for Obama right now is a nice example of how trust and influence are interrelated. Trust is conditional on actors, expectations, vulnerability, uncertainty, agency and embeddedness; trust is relevant only in social relations that can be specified, e.g. the relationship of a President and his electorate or, more general, the president and the public. Trust is not just about sympathy and affection, even though trust and affection may be involved when trust is buil.  Influence is something more general. Influence is not confined to a specific social relationship. Influence can be compared to money, insofar as influence circulates within social systems, just like money does. A person who has much influence needs to make less efforts to achieve a consensus for his or her causes. People will listen to an influential actor much more than they will listen to others. Influence can be earned and spent, borrowed and lent, the amount of influence circulating in a social system can grow or decline. Influence can undergo inflational and deflational developments. At a time of inflation, much more efforts needs to be made to achieve consensus for a specific cause in t1 than in t0. At a time of deflational devlopment of influence, much less efforts need to be made to achieve consensus for a specific cause in t1 than in t0. Institutions acts as banks for influence. In this neoparsonian interpretation, the Nobel commitee acts as bank for influence based on trust, that is, based on positive expectations. The Nobel commitee lends influence to actors and instiutions and thus enables them to create consensus for important causes. Influential actors and institutions, again, can mobilize influence as a resource for various causes, or lend it to other actors and institutions. So, my hunch is that Obama came into office as US. President based on trust of his electorate, but now, with the Nobel peace price, the Nobel commitee has lent influence to Barack Obama (beyond the influence that comes with the office of US President), so he got additional trust from the Nobel commitee. The additional influence thus created will help Obama to get momentum for the causes that he cares about most. On the other hand, influence is something more general than trust. Contrary to trust, influence is not confined to a specific relationship. The Nobel peace price is no guarantee for Obama’s future political success just like a financial credit is no guarantee that an entrepreneur will eventually succeed with his business endeavors. But with the additional influence, Obama should have an easier time to pursue peace on the international level no matter whether he is successful with the domestic issues and how the electorate judges his presidency at a specific point in time. A tremendous development.

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Die neue Hitze des Wahlkampfs & die Piratenpartei

Niemand – vielleicht mit Ausnahme der CDU/CSU und SPD  – wird bedauern, dass die heiße Phase des  Bundestagswahlkampfs ausgebrochen ist. Endlich müssen Kanzlerin und Vizekanzler zu ihren Positionen Stellung beziehen und werden vom Wähler für die Gesetzesbeschlüsse verantwortlich gehalten, die ihre Kabinettsmitglieder in ihrem Auftrag durchgesetzt haben. Politischer Streit ist notwendig und wünschenswert für eine lebendige Demokratie. Auch haben wir gelernt, dass der Online-Wahlkampf erheblich an Bedeutung gewonnen und andere Formate ihre leitende Stellung eingebüßt haben. Das TV-Duell beispielsweise hat zwar vordergründig der Kanzlerin und ihrem Vizekanzler einen Umfrageschub eingebracht, aber insgesamt war das TV-Duell eine Enttäuschung, und viele wichtige Themen sind nur angetippt oder gar ausgeklammert worden: Wissenschaftsreform und Bildung (Exzellenzinitative und Bologna-Prozess), Antworten auf die Frage, wie Arbeitsplätze geschaffen werden, Armut, der umstittene Sanktionsparagraph § 31 in der Sozialgesetzgebung nach HartzIV, ebenso der Tatbestand, dass ein Großteil der finanziellen Lasten aus der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise auf die nächste Generation abgewälzt worden ist.Ausgeklammert wurde auch die Umwelt- und Klimapolitik. Kein Wort hatten Kanzlerin und Vizekanzler im TV-Duell für Thema Netzpolitik und Bürgerrechten im Internetzeitalter übrig. Ohnehin wäre TV-Duett vielleicht die passendere Bezeichnung gewesen. Weiterlesen

Geh bitte hin


(Geh‘ nicht hin! via Reizzentrum, CARTA)

Bitte geht zur Bundestagswahl, gleich ob Ihr Kreislauf oder Fuß habt, denn die Wahl ist einfach zu wichtig, um eine Entscheidung zu treffen, die man hinterher bereut. Manch einer hat vielleicht noch nicht entschieden, welche Partei schlussendlich die Stimme bekommen soll, aber um diese Zeit weiß doch schon recht genau, welche Kräfte die Stimme garantiert nicht bekommen werden. Ganz ehrlich, ich hoffe, manch ein Vertreter einer offenbar bevölkerungsverdrossenen Politikergeneration wird noch wünschen, die Generation C 64 wäre so politikverdrossen, wie sie behauptet.

Eine feine Übersicht über den Posterwahlkampf hat Malte Politicus zusammengestellt. Eine tabellarische Zusammenschau der wichtigsten  Wahlkampfthemen gibt’s bei Till Westermeyer. Empirische Analysen der Stimmungslage auf Grundlage von Umfragedaten (Sonntagsfrage)  findet Ihr bei wahlrecht.de . Ein neueres Prognosetool auf Grundlage eines Aktienhandels auf Parteien, Kandidaten und mögliche Regierungskoalitionen (Wette auf bestimmte Wahlergebnisse) bietet die Soziologie an der LMU München unter dem Titel „Wahlstreet“ an. Ja, und dann gibt es ja noch dieses Internetzzzz: z.B. AbgeordnetenwatchPolitik digital, Wahlgetwitter und Wahl.de. Da mir bei der Europawahl das ZDF-Projekt Wahlimweb gut gefallen hat, werde ich mir am 27.09. einen Grossteil des Verlaufs vom Wahlabend dort anschauen.

Die Generation Governance und der Kampf um Vertrauen oder Misstrauen im Netz (Teil 1)

Ich kenne eine Generation, die bildhaft vor sich sehen konnte, wie die Nationalsozialisten in ihrem Fanatismus, Menschenverachtung und Boshaftigkeit vom Establishment der Weimarer Republik unterschätzt wurden, und die sich erinnern, wo sie waren, als Göbbels für Hitler „Wollt Ihr den totalen Krieg?“ ausrief. Manch wird sich sich noch an Sprüche wie „Wem der Himmel die Majorität der Tatkraft gegeben, dem hat er auch die Herrschaft gegeben“ (Adolf Hitler, 1927) oder „Es ist herrlich, in einer Zeit zu leben, die ihren Menschen große Aufgaben stellt“ (Hitler, 1933, zitiert bei Gunther Haupt und Werner Rust (Hg.) „Geflügelte Worte“, 29. Auflage, Berlin 1942, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, S. 644) , oder auch „Nur wer gehorchen kann, kann später auch befehlen!“ erinnern können (Hindenburg, 1. Mai 1933, Berliner Lustgarten, zitiert bei beides zitiert bei Büchmann „Geflügelte Worte“, 29. Auflage, Berlin 1942, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, S. 646). Dieser Generation heutiger Senioren wie Jürgen Habermas, Renate Mayntz, Papst Benedikt XVI, dem in dieser Woche verstorbenen Ralf Dahrendorf und vielen noch älteren oder inzwischen verstorbenen Menschen verdankt die Bundesrepublik Grundgesetz, soziale Marktwirtschaft, Wohlstand, günstige Bedingungen für die Deutsche Einheit und das vereinte Europa und ihr freiheitliches Bewusstsein. Und Vertreter dieser Generation im Familienkreis (*1911-2003) haben sich bei den Enkeln für ihre Verblendung und ihr Wegschauen in den Jahren vor 1945 entschuldigt. Sowas meine ich, wenn ich von Führung und Verantwortung spreche.

Heute sind wir mit einer Generation von Politikern und ‚Leistungseliten’ konfrontiert, die in dem Glauben lebt, die Gesellschaft durch ihre ‚Governance’ zu verbessern. Würde man die Gesellschaft ‚nur’ in der richtigen Richtung steuern, entstünden geordnete Verhältnisse, so ihre Überzeugung. Erführe Max Weber von ihren Steuerungsaktivitäten, er würde sich im Grab umdrehen. Ein Beispiel aus dem Bildungsbereich: Auf steigende Studentenzahlen in den 1990er Jahren haben Politik und Hochschulen nicht mit Berufung von mehr Professoren und Aufstockung des wissenschaftlichen Personals reagiert, sondern mit der Einführung der gestuften Studiengänge, mit Studiengebühren und Online-Anmeldungen für die einzelnen Lehrveranstaltungen geantwortet, in die häufig eine Begrenzung der Teilnehmerzahl eingebaut ist. Jetzt, wo man feststellt, dass Studierende vor allem auf Kreditpunkte bedacht sind, sich an den Inhalten desinteressiert zeigen, Lehrveranstaltungen wenig besucht sind, manche Studierende gar beim eigenen Referatstermin fehlen, Studienzeiten verlängert werden (Erwerbstätigkeit, Such-/Orientierungsphasen) und auch das proklamierte Ziel der Vergleichbarkeit der Studienleistungen fraglich ist, überlegen die Governancegläubigen nicht, wie man den Unsinn wieder los wird. Vielmehr führt man vor Ort z.B. schwarze Listen ein (Bestrafung der Studierenden). Eine Rückbesinnung auf ursprüngliche Inhalte und Lernziele bleibt bisher aus. Nun werden auch noch die Zielvorgaben verändert: Vorgegeben wird Formalziel des international vergleichbaren Bildungszertifikats von Bachelor oder Master nach dem Bologna-Abkommen, Studierende sollen an ihrer ‚Employability’ arbeiten.

Wir haben nicht zu befürchten, schrieb Max Weber schon in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts, dass wir mal Zuviel „Individualismus“ und „Demokratie“ haben werden. Dafür würde die Bürokratie in Staat und Wirtschaft schon sorgen. Im Zusammenwirken erschaffen die Akteure das stahlharte Gehäuse der Hörigkeit, das sich sämtlicher Bereiche des Lebens bemächtigt: Angesichts der Übermacht der Tendenz der Bürokratisierung hat Weber bezweifelt, ob sich irgendwelche Reste von Individualität und individualistischer Bewegungsfreiheit retten lassen. Die wachsende Unentbehrlichkeit und Hegemonie der Fachexperten ist ein Schreckenszenario für Weber, und er hat gewarnt, dass es gesellschaftliche Instanzen geben muss, welche diese Schicht wirksam kontrolliert (Max Weber, „Wirtschaft und Gesellschaft“ 1922/1980, Tübingen: Mohr, S 834-837).

Seit einigen Jahren hat die Generation Governance nun auch das Internet als Betätigungsfeld entdeckt, z.B. für die Bekämpfung des Terrorismus, den Schutz des geistigen Eigentums und für den Schutz der Opfer aus Sexualstraftaten. So hat der Bundestag auf Initiative der Familienministerin Ursula von der Leyen 18.06.09 mit der Stimmenmehrheit von 389 Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen 128 Stimmen aus der Opposition ein Gesetz verabschiedet, welches kinderpornographische Inhalte mit einem Stopp-Schild versieht. Dies tat sie, obgleich nachgewiesen ist, dass die Inhalte durch eine Sperrung nur mit einem Vorhang versehen werden, sich die Sperren umgehen lassen, wissenschaftliche Untersuchungen über die Auswirkungen von Sperrlisten aus anderen Nationalstaaten fehlen, die Missbrauchsopfer die Löschung der kinderpornographischen Inhalte und die Strafverfolgung der Täter fordern. Dafür wischt die Regierung eine ePetition mit 134014 Mitzeichnern vom Tisch, die ebenfalls die Löschung anstelle der Sperrung von Onlineinhalten fordern. Dafür beugt das im Grundgesetz verankerte Recht auf Informations-, Meinungs- und Pressefreiheit. In ihrer Begründung schreiben Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, wie u.a. die Musik- und die Filmindustrie mit ihren Prozessen immer wieder aufs neue beweisen.” – als ob das Internet jemals ein rechtsfreier Raum gewesen und das geltende Recht der Nationalstaaten, wo die Server stehen, irrelevant wäre! Die Urteilsfähigkeit über Online-Inhalte, welche die Bundesregierung den Internetnutzern nicht zubilligt, überträgt hat der Gesetzgeber mit dem Gesetzesbeschluss dem Bundeskriminalamt übertragen, also einer Polizeibehörde, welchem sie ein Expertengremium zur Seite stellt, dessen Kompetenzen unklar bleiben (siehe Antwort der Bundesregierung auf kleine Anfrage der FDP-Fraktion). Auf den Nachweis, dass es Privatpersonen (Alvar Freude vom AK Zensur) gelungen ist, die effektive Löschung kinderpornographischer Inhalte zu veranlassen, hat die Bundesregierung nicht mehr zu anzubieten als den Hinweis auf ihre guten Absichten zum Schutz wehrloser Kinder. Weiterlesen

Capitalism formerly known as the German Model and its Re-Formation. Part II

Wolfgang Streeck (MPIfG), a scholar of political economy, studies the relations between markets, states and institutions, the dynamics of their development, their interrelatedness and historical changes. His new book “Re-forming capitalism” (Oxford University Press 2009) is devoted to institutional changes in capitalism formerly known as the German Model and its social consequences. An important book, particularly to those who refuse to give up on liberalism. Back to Part I

Why capitalism?

“Why capitalism? If the gradual disorganization and liberalization of “postwar market economy” like Germany is to be explained, as I believe it must, as a secular historical process driven by endogeneous dialectical force, conceptions of “the economy” as a system in, ore on the way to, static equilibrium, however defined, are not really of use. Speaking of capitalism instead has the advantage that it conceptualizes the economy as inherently dynamic – as a historical social formation defined by a specific, characteristic dynamism, and as an evolving social reality in real time. Speaking of capitalism, in other words avoids the fallacies of misplaced abstractness that plague mainstream economics as well as rational choice social science and prevent them from engaging the world as it happens to be. Specifically, the concept of capitalism draws our attention to a core concept of market expansion and accumulation that, it suggests, makes up the substance and defines the identity of what is now the hegemonic and indeed the only form of economic organization in the modern world. Moreover, it also (…) moves into the center of analysis the fundamental issue of the compatibility of expanding markets with the basic requirements of social integration, thereby providing a coherent analytical framework in which to consider the manifold social conflicts associated with the ‘capitalist constant’ (Sewell 2008) of progressive commodification. ” (Streeck 2009, p. 230)

A society that consumes its institutions?

Streeck makes a strong argument insofar as the transformation of political-economic institutions he describes with the terms of ‘disorganization’, ‘flexibilization’ and ‘economization’ is severe in its consequences in terms of solidarity and social justice. Of course, all institutions are in transformation. So are the social economic institutions of capitalism: collective bargaining, intermediary organizations, social policy and the welfare state, and, of course, corporate governance. As Streeck shows convincingly, this process also involves public financing. But as the state extensively goes after its own interests, e.g. in rising incomes tax for the wealthier parts of the population, rising taxes on goods, inventing new fees for just about everything, lowering the standard of welfare, and hiding the true level of unemployment, this does not leave social solidarity in Germany untouched. Streeck puts this in the term “capitalism” meaning a social order rather than about an abstract “economy” meaning a functional subsystem or the market in a model of the word. But both terms leave that open tough competition, power struggle, inequality and unfairness occur. Slowly but continuously, without major disruptions, capitalism formerly known as the German model has been undermined in complex interplay of systemic, institutional and endogeneous change, not just as a result of external factors such as ‘globalization’ and ‘technology’, but rather because institutions were struggling with specific problems of systemic and social integration. The logic of flexibilization and disorganization is driven by characteristic dispositions of actors, the relationship of rule-making and rule-taking. Weiterlesen

Capitalism formerly known as the German Model and its Re-Formation. Part 1

Re-Forming Capitalism

Re-Forming Capitalism

Thinking about Germany, what are the first people or things that come to your mind? Friedrich Schiller? Heinrich Heine? Oktoberfest? Abwrackprämie? Coordinated capitalism? Hm, Schiller’s spirit of freedom is unequalled, but Heinrich Heine chose to leave the country, and German capitalism is no longer what it used to be. In the distinction of the ‘Varieties of Capitalism’ introduced by Peter Hall and David Soskice (2001), the German model has been discussed as a paradigmatic example of a coordinated market economy in Europe, Japan as a paradigmatic example for a coordinated economy in Asia. ‘Varieties of Capitalism’ (Hall/Soskice) holds that liberal economies and coordinated economies both have their characteristic set of institutions playing together in such a manner that liberal economies offer ideal structural conditions for radical innovation within companies and their interorganizational networks, and coordinated market economies offer ideal structural conditions for incremental innovation.

Wolfgang Streeck in his new book “Re-Forming Capitalism” – a must read – offers a dynamic version of political economy and shows the German economy has undergone such tremendous change in the areas of wage structure and wage-setting, business organizations and trade unions, social policy, public finance and corporate governance in recent decades, that the term no longer applies. It must be rather discussed about the general political and institutional of capitalism than the idea of varieties of capitalism suggests. The keywords of structural change Streeck identifies are ‘flexibilization’ and ‘liberalization’ rather than ‘globalization’ that forces a shift in the relationship between market, state and civil society. (Streeck 2009: 25). In this and the next blog post, I’ll discuss the transformation of the German model based on Streecks‘ inspiring new book, some old material from my dissertation and a bit of illustrative material I found online. Weiterlesen

Neues aus der Rundfunkanstalt. Oder: Vertrauen im Netz durch Überwachung?!

Würde Max Weber, der bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine düstere Zukunftsvision von bürokratischer Herrschaft als stahlhartem Gehäuse der Hörigkeit formulierte, das wie ein gigantischer Krake alle Lebensbereiche der Menschen beherrscht, heute leben, die Landesanstalten für Medien (z.B. BLM, LfR) böten Weber reichlich Stoff für weitere Ausführungen. Der Glaube die Welt würde besser, der Finanzmarktkapitalismus ziviler, die Sozialsysteme gerechter, die Forscher effizienter, die Studierenden fleißiger, wenn man sie nur in der richtigen Richtung und in der geeigneten Weise regulieren, muss seine Ursprünge in Deutschland haben. Seit einiger Zeit melden sich vermehrt gut informierte Stimmen, die auf Regulierungsbestrebungen politischer Akteure auch in Bezug auf das Internet hinweisen, z.B. auf angedachte Sperren des Internetzugangs.

Seit dem Jahr 1982 (Erfindung des TCP-IP-Protokolls), mehr noch seit Beginn der 1990er Jahre (Erfindung des WWW) wächst und verbreitet sich das Internet als eine sich selbst organisierende Technologie, ein selbst organisierendes Medium und die Szene rund ums Social Web hat sich Selbstorganisation als Organisationsprinzip angeeignet. Mit Entstehung und Verbreitung des Social Web sind neue Formate wie z.B. Weblogs, Wikiwebs, Social Bookmarking, Social Networking Sites, Podcast, Photo, Video oder dem Livestream ins Internet, die sich mithilfe von APIs zu neuen Online-Angeboten rekombinieren lassen. Zudem ist es dank RSS und Open APIs leicht möglich, statischen Content in dynamische Ströme zu transformieren und aus bestehenden Online-Angeboten neue zu generieren. Jeder Bürger hat die Möglichkeit, Content zu produzieren und in Echtzeit global zu verbreiten. Hinzu kommt, dass sich Kommunikation im Netz nicht länger als One-Way-Kommunikation von einem Sender zu vielen Empfängern statt findet. Vielmehr sind aktive Internetnutzer Prodnutzer. Charakteristisch für Prodnutzung ist, dass aktive Internetnutzer in ein- und demselben Kommunikationsakt Sender und Empfänger gleichzeitig sind, weil sie Inhalte erstellen, kritisieren, verbessern, bewerten und kommentieren. Selbst wenn man einen Inhalt scharf kritisiert und im Kommentar widerspricht, fügt man ihm etwas hinzu, und der Produzent erhält Gelegenheit zu weiter Verbesserung, Aktualisierung oder Differenzierung. Auch Live-Streams ins Internet wie z.B. bei Mogulus, Qik und Make.TV sind Prodnutzung: Ein Prodnutzer streamt Bewegtbild live ins Internet, und andere Prodnutzer geben zeitgleich Feedback und Impulse, z.B. mithilfe der Chatfunktion.

Im Juli 2008 änderte die bayrische BLM die Fernsehsatzung dahingehend, dass Livesteaming im Internet mit über 500 gleichzeitigen Zugriffsmöglichkeiten genehmigungspflichtig und ab 10.000 potenziellen gleichzeitigen Nutzern wie Kabelsender zu behandeln sind. Dabei legt die BLM eine Richtlinie zugrunde, die im 12. Rundfunkstaatsvertrag steht, welcher im Herbst 2008 auf der Ebene der Europäischen Union beschlossen wurde. Bedingt durch die Medienkonvergenz trifft im Internet  regulierungspflichtiger Rundfunk auf eine Vielzahl nicht regulierter Online-Angebote. Zwischen die Fronten der Auseinandersetzung zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanbietern geraten zunehmend Angebote aus den Bereichen Bildung, Forschung und Kultur, die sich erst mit dem Social Web entwickeln und verbreiten und sich der Zuordnung zu Presse, Rundfunk oder Fernsehen entziehen. Historisch ist die Rundfunkrechtsprechung aus der Knappheit für Rundfunk- und Fernsehlizenzen mit Einführung von privatem Rundfunk und Fernsehen im Jahr 1984 entstanden. Auch bezieht die Institution des Rundfunkrechts ihre politische Legitimation aus der durch den Nationalsozialismus begründeten Angst, politische Akteure könnten Massenmedien zur Manipulation eines passiven Publikums verwenden. Daher ist in Deutschland z.B. das Staatsfernsehen verboten. Zugleich ist in Deutschland die Pressefreiheit besonders geschützt, z.B. durch das Spiegel-Urteil.

Die BLM hatte im Oktober 2008 auf die Diskussion reagiert und sich zum Dialog bereit gefunden, auch im Rahmen einer Online-Podiumsdiskussion. Diese Podiumsdiskussion mit der AG Social Media fand am Mittwoch, den 04.02.09, eine Podiumsdiskussion unter Beteiligung von Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring (Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien) und Thomas Langheinrich (Vorsitzender der Kommission für Zulassung und Aufsicht, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg), Frank Tente (Gestalter des Online-Angebots der Duisburger Symphoniker) und Jörg Blumtritt (Vorsitzender AG Social Media) statt. Moderator der nicht immer einfachen Live-Schaltung war Luca Hammer. [Diskussion in voller Länge, ca. 90 Minuten].

Darin teilten die Präsidenten der Rundfunkanstalten von Bayern und Baden-Württemberg mit, dass eine Lizenz zum Betreiben eines Internet-Livestreaming € 5000 kosten werde.

Ich möchte, die Argumente der AG Social Media aufgreifend, in acht Punkten ausführen, weshalb ich die geplante Genehmigungspflicht für überflüssig und für kontraproduktiv halte:

1. Die geplante Genehmigungspflicht ist ein massiver Eingriff in das Bürgerrecht, den eigenen Glauben, das Gewissen und die Weltanschauung öffentlich zu artikulieren und zu verbreiten. Weshalb wird das Verteilen eines Flugblattes auf der Straße, das Sprechen mit einer Sprechtüte auf einer Demo als unproblematisch erachtet, das Live-Streamen ins Internet hingegen nicht? Weshalb dürfen Bürger ihre Nachrichten, ihren Glauben, Gewissen und Weltanschauung im Internet verbreiten, wenn das Bekenntnis in Form von Text, Photo, Podcast oder Video erfolgt, und sollen dann eine Genehmigung brauchen, wenn es live ins Internet gestreamt wird? Die sich beständig erweiternden Möglichkeiten der öffentlichen und teil-öffentlichen Meinungsfreiheit in der digitalen Welt dürfen nicht einem behördlichen Regulierungseifer geopfert werden. Zudem werden soziale Ungleichheiten verfestigt: Für den einen stellen € 5000 kein Problem dar, für den anderen ist derselbe Betrag eine unüberwindliche Hürde. Somit steht die geplante Genehmigungspflicht für Live-Streaming ins Internet auch mit dem Gleichheitsgrundsatz im Konflikt. Weiterlesen

It’s financial capitalism, stupid. Eine soziologische Deutung der Finanzkrise

„We first believed in you“ heißt es im Werbespot einer US-amerikanischen Großbank. Mit pathetischer Musikuntermalung zeigt der Werbespot eine Familie, die mit leuchtenden Augen das Ladenlokal ihres frisch gegründeten Unternehmens betritt. Ein fürsorglicher Vater winkt der Tochter beim Abschied ins College hinterher. Eine Mutter lässt zögerlich die Hand des Söhnchens los, als dieses mit Schultüte und Schulranzen die ersten Schritte ins Leben unternimmt. Der Werbespot einer Versicherung zeigt einen gut gekleideten älteren Herrn am Kaffeetisch im Familienkreis, der sich entspannt zurück lehnt, wo für die Zukunft der Angehörigen gesorgt ist.

Zum Leidwesen von Bürgern, Unternehmern und sogar dem Bundespräsidenten [PDF] entspricht die Kundenerfahrung mit Banken und anderen Finanzinstitutionen wohl eher dem Horror Trip bei Feinkost Zipp: Erhielt man als Student vor gefühlten fünf Jahren ohne größere Überprüfung der Zahlungsfähigkeit Privatkredite mit beachtlichem Verfügungsrahmen, führt heute manch eine Bank Überweisungen per Lastsschrift selbst dann nicht mehr aus, wenn der Kunde bei einem Kreditrahmen von Null Euro ein Guthaben hat und der angefragte Betrag das Guthaben um nur wenige Euro übersteigt. Auch Belästigung mit ständig wiederholten Anrufen gehört zum Repertoire kleiner Gemeinheiten. CSNBC zufolge sind Vermögen von mehr als 7 Billionen US$ vernichtet worden. Das ist schier unvorstellbar hoher Betrag, der die inflationsbereinigten Ausgaben für den zweiten Weltkrieg um das Doppelte übersteigt (Stand: 28.11.08) – damit hätte man den Welthunger für immer beseitigen, ein hervorragendes soziales Sicherungssystem installieren können und viele andere Dinge mehr.

FT erklärt in einer Reportage auf YouTube, dass sich bereits seit Jahren eine immer dramatischere Schere zwischen realem Einkommensrückgang und steigender Verschuldung der Haushalte in den Vereinigten Staaten auftat, welche die Knappheit der Liquidität ausgehend vom Hypothekenmarkt in immer weitere Bereiche der Finanzwelt ausdehnte, bis hin zum „Big Freeze„, dem Stand der Finanzkrise im August 2008, als das Video publiziert wurde. Trotz massiven finanziellen Engagements zahlreicher Nationalstaaten blieb das Misstrauen sogar zwischen den Geschäftsbanken bestehen, der Interbankenhandel kommt zum Erliegen, die Versorgung von Unternehmen und Privatleuten mit Kaufkraft bleibt aus und immer mehr Finanzinstitutionen werden ebenfalls zahlungsunfähig:

Seit dem 1. Dezember ist amtlich, dass die USA bereits seit Dezember 2007 in einer Rezession befinden. Die folgend Slideshow ist eine rohe Skizze mit Überlegungen zur aktuellen Finanzkrise. Darin habe ich Material aus dem Netz, meiner Dissertation und Forschungsliteratur in einer Skizze zusammen gefügt. Ich darf dazu sagen, dass es besonders durch die vielen anregenden Vorträge am MPIfG Köln, durch das Working Paper von Wolfgang Streeck „Flexible Markets – Stable Societies?“ [pdf], die Dokumentation des Rückgangs der Kapitalverflechtungen und interlocking directorates im Zuge der Öffnung des korporatistischen Kapitalismus Deutschlands für den globalen Finanzmarktkapitalisms zwischen 1996 und 2006 von Lothar Krempel und Martin Höpner [pdf] sowie durch Diskussion mit Guido Möllering [hier ein Presseinterview] inspiriert ist. Auch habe ich mich dabei auf den vor wenigen Tagen publizierten 84. Economic Outlook der OECD [pdf] gestützt. Ich freue mich über Feedback, Anregungen und Benutzererfahrungen mit dem Finanzmarktkapitalismus!

Shift happens – re:publica09

publica09

Re:publica09

Shift happens” lautet der Titel der nächsten re:publica in Berlin vom 01. bis zum 3. April 2009. „Shift happens“ hat als re:publica’09-Untertitel den Segen von Karl Fisch. Als Tanja und Johnny Haeusler von Spreeblick gemeinsam mit Markus Beckedahl  von Netzpolitik und Andreas Gebhard von Newthinking Communications im Jahr 2006 die erste re:publica ins Leben riefen, war die Konferenz als Event gedacht, an dem sich die sonst virtuelle Blogger-Community zusammenfindet, um gemeinsam die Idee des Web 2.0 voranzutreiben. Das Motto “Shift happens” verspricht Veränderung. Um welche Veränderung es gehen wird, erklären die Organisatoren: Mit “Shift happens” legen sie den Fokus auf die gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen der digitalen Gesellschaft, die für die jüngere Generation längst Status Quo sind. Mit der re:publica09 dürfte ein umfassender Diskurs über die Online-Community hinaus angeregt werden, der auch soziale und kulturelle Folgen des Zusammenwachsens von Netz und Gesellschaft thematisiert. Die Vorfreude steigt!