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Und täglich grüßt das Sommerloch – wider die Street View Hysterie

Ursula von der Leyen tut es, Ilse Aigner, Thomas Oppermann, Hans-Christian Ströbele, Bodo Ramelow und Guido Westerwelle. Auch vier Rentner aus Düsseldorf lassen es sich nicht nehmen. Sie le­gen Widerspruch gegen Googles Geodienst Street View ein, lassen also ihr Eigenheim ver­pixeln. Das ist ihr gutes Recht. Aber dann: Dieselben vier Düsseldorfer Rentner lassen sich dafür für die Rheinische Post vor ihren Häusern ablichten, also vor genau den Häusern, die sie im Internet unkenntlich gemacht haben wollen, fällt Daniel Fiene auf. Mit ihrem Wunsch, gegen Google vorzugehen, sind die vier Düsseldorfer Rentner keinesfalls allein. Über Zehntausend machen von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch, wollen ihre Häuser, Wohnungen, Fahrzeuge, Gesichter verpixelt haben (Golem, Beckblog). Da grüßt das Sommerloch mit einer ganz schön aufgeheizten Diskussion: Google überrumpelt urlaubende Ministerinnen, Politiker lassen ihre Privathäuser pixeln, Schwarz-Gelb vergoogelt sich, BILD klärt Missverständnisse über Google auf, die sie am Tag zuvor selbst verbreitet hat. Das Vögelchen des Sommerlochs schießt aber Rainer Wendt ab. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft hat den Plan gefasst, mit Google Street View auf virtuelle Streifenfahrt zu gehen (Bitterlemmer). Weiterlesen

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Heitere Postkarten – ePost und De-Mail für mehr Vertrauen im Netz?

Das Telex war seinerzeit für mich ein Faszinosum: Eine geheimnisvolle Maschine, in die man Kurzmitteilungen eintippte. Der Fernschreiber zeichnete diese Nachrichten auf einem Lochstreifen auf und sandte sie mit einem dem Telefonnetz ähnlichem Direktwahlsystem rund um die Welt – rund um die Welt in Sekunden. Bestechend am Telex war die Sprache in Kürzeln, und mehr noch, wie der Lochstreifen durch die Maschine rappelte.  Oder das Telegramm. Ich erinnere mich nur an Telegramme mit frohen Botschaften: Hochzeiten, Kindsgeburten, Glückwünsche oder Grüße auf Schmuckkärtchen. Über Datenschutz und Sicherheit hat man sich keine Gedanken gemacht, allein das Tempo und die Bequemlichkeit standen im Vordergrund. Das Telex wurde in den 1980er Jahren vom Telefax verdrängt. Telegramm, Telex, Telefax, und auch die berühmte Telefonzelle haben längst Museumscharakter. Sie alle sind durch Internet, E-Mail und mobile Endgeräte verdrängt worden. Trotz des hohen SPAM-Aufkommens ist der Siegeszug der E-Mail ungebrochen. Das Medium E-Mail hat unsere Fähigkeit zur Verarbeitung unzähliger Nachrichten deutlich gesteigert. Mitten in diese E-Mail-Normalität platzen neue Angebote: Seit Mitte Juli hat die Deutsche Post AG ihr Angebot ePostbrief, am Start. In Konkurrenz dazu bieten Telekom, Web.de, GMX und andere Provider eine neue Variante der Digitalpost an. Dieses neue Angebot De-Mail soll Anfang 2011 bereit stehen. Eine Registrierung für die neuen Adressen ist bereits möglich. De-Mail ist ein Angebot des Bundes (siehe De-Mail beim BSI). In aktuellen Werbespots macht die Post große Versprechungen: „Wir bringen das Postgeheimnis ins Internet“, kündigt die Post in ihrem Werbespot an. Verbindlich, vertraulich und verlässlich soll die elektronische Kommunikation sein. Die Revolution der digitalen Kommunikation? Weiterlesen

Bildungsfernsehen 2.0

Während des Studiums wurde mal mein „Kulturoptimismus des Fernsehens“   vom Professor gerügt. Dabei wird mein Kulturoptimismus des Fernsehens deutlich getoppt durch meinen Kulturoptimismus der Social Media 😉

Denn so sehr das Fernsehen die Beschäftigung mit Dingen ermöglicht, die sonst nicht zugänglich wären, empfinde ich Wissenschaftsjournalismus im Fernsehen häufig als unbefriedigend. Erstens würde ich mir mehr Wissenschaftsberichterstattung aus sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen im Verhältnis zu den naturwissenschaftlichen Disziplinen wünschen. Zweitens berichtet das Fernsehen häufig im Stil „Wissenschaftler haben herausgefunden, dass …“ . Als Zuschauer möchte ich aber gern erfahren,  um welchen Wissenschaftler an welchem Institut es sich handelt, welches seine wichtigsten Schriften sind, von welchen Positionen er sich abgrenzt usw. Dafür eignet sich der Wissenschaftler-Vortrag besser. Weiterlesen

Die Generation Governance und der Kampf um Vertrauen oder Misstrauen im Internet (Teil 2)

Vertrauen, so ein verbreitetes Missverständnis, ist das Mittel der Wahl nur für Leute, denen die notwendige Cleverness für Misstrauen und der Wille zur Macht fehlt. Wer vertraut, muss wohl der naive unbedarfte Typ sein, der sich leichtgläubig auf jedes Geschäft einlässt, auf jeden SPAM-Brief hereinfällt, ungefiltert Informationen über sich im Netz preisgibt und am besten gleich noch den Freunden seine Passwörter mitteilt. Wer hingegen Macht hat, verfügt über Sanktionsmittel (z.B. Sicherheiten/Sanktionsgewalten im Streitfall). Vielfach wird auch von der „gesunden Skepsis“ gesprochen, die den Handelnden vor Ungemach bewahrt. Nur dass im „echten Leben“ jeder Kaufvertrag, jedes Kreditverhältnis, jede Finanzinvestition, jede Karriere, ja sogar jede Familiengründung scheitern kann. Die Governancegläugiben behalten sich vor, zunächst alles und jeden zu überprüfen, mögliche Katastrophen zu identifizieren, den Katastrophen Wahrscheinlichkeiten zuzuordnen, damit mathematische Operationen durchzuführen und schließlich zu Entscheidungen zu kommen, welche auf die Vermeidung von Risiken zielen. Die Governancegläubigen wählen Handlungsstrategien, bei denen die Absicherung gegen Zahlungsansprüche, Schuldzuweisungen etc. und die Abwälzung von Unsicherheiten auf andere im Mittelpunkt stehen, und sie halten ihre prophylaktische Skepsis für klug. Weiterlesen

Die Generation Governance und der Kampf um Vertrauen oder Misstrauen im Netz (Teil 1)

Ich kenne eine Generation, die bildhaft vor sich sehen konnte, wie die Nationalsozialisten in ihrem Fanatismus, Menschenverachtung und Boshaftigkeit vom Establishment der Weimarer Republik unterschätzt wurden, und die sich erinnern, wo sie waren, als Göbbels für Hitler „Wollt Ihr den totalen Krieg?“ ausrief. Manch wird sich sich noch an Sprüche wie „Wem der Himmel die Majorität der Tatkraft gegeben, dem hat er auch die Herrschaft gegeben“ (Adolf Hitler, 1927) oder „Es ist herrlich, in einer Zeit zu leben, die ihren Menschen große Aufgaben stellt“ (Hitler, 1933, zitiert bei Gunther Haupt und Werner Rust (Hg.) „Geflügelte Worte“, 29. Auflage, Berlin 1942, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, S. 644) , oder auch „Nur wer gehorchen kann, kann später auch befehlen!“ erinnern können (Hindenburg, 1. Mai 1933, Berliner Lustgarten, zitiert bei beides zitiert bei Büchmann „Geflügelte Worte“, 29. Auflage, Berlin 1942, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, S. 646). Dieser Generation heutiger Senioren wie Jürgen Habermas, Renate Mayntz, Papst Benedikt XVI, dem in dieser Woche verstorbenen Ralf Dahrendorf und vielen noch älteren oder inzwischen verstorbenen Menschen verdankt die Bundesrepublik Grundgesetz, soziale Marktwirtschaft, Wohlstand, günstige Bedingungen für die Deutsche Einheit und das vereinte Europa und ihr freiheitliches Bewusstsein. Und Vertreter dieser Generation im Familienkreis (*1911-2003) haben sich bei den Enkeln für ihre Verblendung und ihr Wegschauen in den Jahren vor 1945 entschuldigt. Sowas meine ich, wenn ich von Führung und Verantwortung spreche.

Heute sind wir mit einer Generation von Politikern und ‚Leistungseliten’ konfrontiert, die in dem Glauben lebt, die Gesellschaft durch ihre ‚Governance’ zu verbessern. Würde man die Gesellschaft ‚nur’ in der richtigen Richtung steuern, entstünden geordnete Verhältnisse, so ihre Überzeugung. Erführe Max Weber von ihren Steuerungsaktivitäten, er würde sich im Grab umdrehen. Ein Beispiel aus dem Bildungsbereich: Auf steigende Studentenzahlen in den 1990er Jahren haben Politik und Hochschulen nicht mit Berufung von mehr Professoren und Aufstockung des wissenschaftlichen Personals reagiert, sondern mit der Einführung der gestuften Studiengänge, mit Studiengebühren und Online-Anmeldungen für die einzelnen Lehrveranstaltungen geantwortet, in die häufig eine Begrenzung der Teilnehmerzahl eingebaut ist. Jetzt, wo man feststellt, dass Studierende vor allem auf Kreditpunkte bedacht sind, sich an den Inhalten desinteressiert zeigen, Lehrveranstaltungen wenig besucht sind, manche Studierende gar beim eigenen Referatstermin fehlen, Studienzeiten verlängert werden (Erwerbstätigkeit, Such-/Orientierungsphasen) und auch das proklamierte Ziel der Vergleichbarkeit der Studienleistungen fraglich ist, überlegen die Governancegläubigen nicht, wie man den Unsinn wieder los wird. Vielmehr führt man vor Ort z.B. schwarze Listen ein (Bestrafung der Studierenden). Eine Rückbesinnung auf ursprüngliche Inhalte und Lernziele bleibt bisher aus. Nun werden auch noch die Zielvorgaben verändert: Vorgegeben wird Formalziel des international vergleichbaren Bildungszertifikats von Bachelor oder Master nach dem Bologna-Abkommen, Studierende sollen an ihrer ‚Employability’ arbeiten.

Wir haben nicht zu befürchten, schrieb Max Weber schon in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts, dass wir mal Zuviel „Individualismus“ und „Demokratie“ haben werden. Dafür würde die Bürokratie in Staat und Wirtschaft schon sorgen. Im Zusammenwirken erschaffen die Akteure das stahlharte Gehäuse der Hörigkeit, das sich sämtlicher Bereiche des Lebens bemächtigt: Angesichts der Übermacht der Tendenz der Bürokratisierung hat Weber bezweifelt, ob sich irgendwelche Reste von Individualität und individualistischer Bewegungsfreiheit retten lassen. Die wachsende Unentbehrlichkeit und Hegemonie der Fachexperten ist ein Schreckenszenario für Weber, und er hat gewarnt, dass es gesellschaftliche Instanzen geben muss, welche diese Schicht wirksam kontrolliert (Max Weber, „Wirtschaft und Gesellschaft“ 1922/1980, Tübingen: Mohr, S 834-837).

Seit einigen Jahren hat die Generation Governance nun auch das Internet als Betätigungsfeld entdeckt, z.B. für die Bekämpfung des Terrorismus, den Schutz des geistigen Eigentums und für den Schutz der Opfer aus Sexualstraftaten. So hat der Bundestag auf Initiative der Familienministerin Ursula von der Leyen 18.06.09 mit der Stimmenmehrheit von 389 Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen 128 Stimmen aus der Opposition ein Gesetz verabschiedet, welches kinderpornographische Inhalte mit einem Stopp-Schild versieht. Dies tat sie, obgleich nachgewiesen ist, dass die Inhalte durch eine Sperrung nur mit einem Vorhang versehen werden, sich die Sperren umgehen lassen, wissenschaftliche Untersuchungen über die Auswirkungen von Sperrlisten aus anderen Nationalstaaten fehlen, die Missbrauchsopfer die Löschung der kinderpornographischen Inhalte und die Strafverfolgung der Täter fordern. Dafür wischt die Regierung eine ePetition mit 134014 Mitzeichnern vom Tisch, die ebenfalls die Löschung anstelle der Sperrung von Onlineinhalten fordern. Dafür beugt das im Grundgesetz verankerte Recht auf Informations-, Meinungs- und Pressefreiheit. In ihrer Begründung schreiben Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, wie u.a. die Musik- und die Filmindustrie mit ihren Prozessen immer wieder aufs neue beweisen.” – als ob das Internet jemals ein rechtsfreier Raum gewesen und das geltende Recht der Nationalstaaten, wo die Server stehen, irrelevant wäre! Die Urteilsfähigkeit über Online-Inhalte, welche die Bundesregierung den Internetnutzern nicht zubilligt, überträgt hat der Gesetzgeber mit dem Gesetzesbeschluss dem Bundeskriminalamt übertragen, also einer Polizeibehörde, welchem sie ein Expertengremium zur Seite stellt, dessen Kompetenzen unklar bleiben (siehe Antwort der Bundesregierung auf kleine Anfrage der FDP-Fraktion). Auf den Nachweis, dass es Privatpersonen (Alvar Freude vom AK Zensur) gelungen ist, die effektive Löschung kinderpornographischer Inhalte zu veranlassen, hat die Bundesregierung nicht mehr zu anzubieten als den Hinweis auf ihre guten Absichten zum Schutz wehrloser Kinder. Weiterlesen

Das gute Netz. Weshalb Regulierung mit Stopp-Schildern, Sperren und Zensur kein vertrauenswürdiges Internet erschafft

Die gemeinsame Forschungsarbeit mit Guido Möllering (MPIfG) zum Thema „The Problem of Trust Online“, hat durch die politischen Entwicklungen während der vergangenen Monate zusätzliche Brisanz erhalten. Ich habe hier mal kurz zusammengeschrieben, weshalb die Regulierungsbestrebungen der Große Koalition Schaden anrichten und was m.E.* für ein „gutes Internet“ – ein Internet des Vertrauens –  gebraucht wird.

Wir erleben in den letzten Monaten eine Zuspitzung der Auseinandersetzung um den Stellenwert von Datenschutz und Privatsphäre. Mit wachsender Schärfe wird die Auseinandersetzung geführt, welches Gewicht der Schutz des Nutzers von Internet und Social Media vor Zugriff, Weitergabe und Veräußerung personenbezogenen Daten und unbeabsichtigt hinterlassenen Datenspuren gegenüber den Geschäftsinteressen von Providern und Werbebranche in Zukunft hat. Bürgerinteressen und Geschäftsinteressen geraten aneinander: Aktuell widersetzt sich die Fraktion der CDU und CSU einem Gesetzentwurf, der eine Genehmigungspflicht für die Weitergabe und Veräußerung personenbezogener Daten und Daten aus unbeabsichtigt hinterlassenen Datenspuren festschreibt und den Datenhandel ansonsten untersagt. Indes steigt die Anzahl der Bürger, die das Vertrauen in den Datenschutz bei Unternehmen und Staat verloren haben, immer weiter an. In einer IfD-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach gaben 82 Prozent der Befragten an, dem Datenschutz bei Unternehmen nicht zu vertrauen (8 Prozent vertrauen und 10 Prozent waren unentschieden), 72 Prozent gaben an, dem Datenschutz bei staatlichen Instanzen zu misstrauen (16 Prozent vertrauen und 12 Prozent waren unentschieden).

Höher noch schlagen die Wellen bei Überwachungs- und Regulierungsbestrebungen in Bezug auf Internet und Social Media, zunächst beim Vorhaben des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble, eine Vorratsdatenspeicherung für sämtliche Telefonanrufe, E-Mails und Datenübertragungen für die Dauer von sechs Monaten, vorgeblich zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, zuletzt beim von CDU-Familienministerin von der Leyen unterbreiteten Gesetzentwurf zum Thema Kinderpornografie. Beide Gesetze bzw. Gesetzesvorhaben haben einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen. Im Gesetzentwurf von Familienministerin von der Leyen ist vorgesehen, Internetanbieter zur Sperrung von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten zu verpflichten. Webseiten mit kinderpornografischem Inhalten soll künftig das BKA in einer laufend zu aktualisierenden Sperrliste aufführen. Beim Aufruf einer in der Sperrliste enthaltenen Webseite sollen Nutzer zu einer Stoppmeldung umgeleitet werden, wo sie über Kontaktmöglichkeit zum Bundeskriminalamt informiert werden. Der Gesetzgeber, so der Entwurf, soll den Provider verpflichten, dem BKA wöchentlich eine anonymisierte Aufstellung über die Zahl der Zugriffsversuche pro Stunde auf die in der Sperrliste aufgeführten Seiten zu übermitteln. In dem Entwurf ist ebenfalls geregelt, dass lediglich Seiten mit kinderpornografischen Inhalten gesperrt werden dürfen. „Eine Ausweitung auf andere Zwecke ist nicht beabsichtigt“, heißt es in der Begründung. Allerdings musste die Große Koalition die Nicht-Wirksamkeit angestrebten Maßnahme bereits eingestehen. Auch blieb sie den Beleg schuldig, dass eine Ausweitung auf beliebige Gegenstände (z.B. Urheberrechtsstreitigkeiten) ausgeschlossen ist. Nicht nur ist belegt, dass sich Stopp-Schilder und Zugangssperren leicht umgehen lassen und dass Rezeptwissen zur Umgehung dieser Sperren zirkuliert. Dem Gesetzgeber würde der Weg zur Einschränkung der Bürgerrechte für beliebige Regulierungsgegenstände geebnet, und das BKA erhielte en passant Zugriff auf personenbezogene Daten sowie Datenspuren von Nutzern. Weiterlesen

Heranwachsen mit dem Social Web. Studie zur Rolle von Web 2.0 Angeboten von Jugendlichen

Heranwachsen ist gefährlich. Vor wenigen Tagen erst hörte ich von einem Fall, wo ein Düsseldorfer Schüler während der Schulzeit unter Androhung von Gewalt zum Verlassen des Schulgeländes veranlasst worden war. Die Täter waren eine Gruppe Fremder, und sein Schulkamerad, der ihm zu Hilfe eilte, entkam der Situation auch nicht. Die Schule benachrichtigte die Eltern telefonisch mit dem Vorwurf, der Junge würde den Unterricht schwänzen. Etwas später rief der Junge weinend vom Mobiltelefon zuhause an und berichtete, wie sein Schulkamerad und er selbst unter Gewalteinwirkung und Androhung von noch mehr Gewalt in einer S-Bahn gelandet waren, die aus der Stadt hinaus fuhr. Ohne das Einwirken der Eltern hätten die beiden Jungs Schule, Verkehrsbetriebe und Polizei gegen sich gehabt. Man hätte ihnen nicht geglaubt und sie in ihrer Not allein gelassen. Nur mit Hilfe der Eltern und nach ärztlicher Untersuchung wurde den Betroffenen Gehör geschenkt. Als „Gefährdungsraum“ für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wird häufig auch das Internet diskutiert. Zwar streitet niemand ab, dass es Gefährdungen für Jugendliche im Netz gibt, doch bleibt bei der auf Risiken gerichteten Sicht des Internet erstens außer acht, dass Jugendliche wie im Beispiel auch im „echten Leben“ Gefährdungen ausgesetzt sind, zweitens, dass die Welt der Erwachsenen daran nicht unbeteiligt ist, und drittens dass das Internet im Gegensatz zu seinem Ruf auch Raum der Freiheit und Persönlichkeitsentfaltung für Jugendliche und junge Erwachsene ist.

Auf das Spannungsfeld von Freiheit und Gefährdung trifft eine Studie des Hans-Bredow-Institut für Medienforschung und der Fachbereich Kommunikationswissenschaften der Universität Salzburg. Uwe Hasebrink, Ingrid Paus-Hasebrink und Jan Schmidt (Twitter) haben die Studie im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW eine empirische Studie zum Thema „Heranwachsen mit dem Social Web“ durchgeführt. [Darstellung Jan Schmidt, Darstellung „Der Freitag„, Darstellung LFR Düsseldorf; Kurzzusammenfassung] Weiterlesen

Workshop „Interne Wissenschaftskommunikation über digitale Medien“

Montag und Dienstag fand am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) der Workshop über “Interne Wissenschaftskommunikation über digitale Medien” statt – auf Einladung von Claus Leggewie (Essen), Christoph Bieber (ZMI Gießen, Politik Digital, Internet und Politik) und Jan Schmirmund (ZMI Gießen), die im Rahmen des Forschungsverbundes “Interactive Science” gemeinsam interdisziplinär forschen, was die Charakteristika von interner Wissenschaftskommunikation im Gegensatz zum Wissenschaftsjournalismus bzw. zur externen Wissenschaftskommunikation kennzeichnet. Der Workshop hatte eine klare Fokussierung auf sozialwissenschaftliche Perspektiven und auf Social Media (Web 2.0 etc. im Gegensatz zu den frühen digitalen Medien der 1980er und 1990er Jahre).

Der Workshop hatte vier Sessions: In der ersten Session hat Jan Schmirmund uns Gästen den Forschungsverbund “Interactive Science” vorgestellt – ein junges, Projekt, finanziert durch die Volkswagenstiftung und standortverteilt auf verschiedene Forschungsstandorte in Deutschland und Österreich. In den Folgesessions sollten Experten – Benedikt Köhler, Marc Scheloske, Guido Möllering und ich – auf Fragen zu Spezialthemen. Benedikt Köhler (Viralmythen) wurde befragt zum Thema Formate der Social Media (Blogs, Wikiwebs, Microblogging, virtuelle Welten etc.). Welche neuen Medienformate werden zukünftig zur internen Wissenschaftskommunikation verwendet? Wo sind die Potenziale und Grenzen der Social Media für die Wissenschaftskommunikation? Sind Blogs am Ende?

Marc Scheloske (Wissenswerkstatt, Wissenschaftscafé Science Blogs) wurde zur Grenze zwischen interner Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus befragt. Wie tragen digitale Medien dazu bei, die Grenze zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit aufzuweichen oder neu zu ziehen? Dann haben Guido Möllering und ich Vertrauen für die Thematik der internen Wissenschaftskommunikation diskutiert. Welchen Stellenwert hat Vertrauen in der internen Wissenschaftskommunikation an der Schwelle zwischen interner und breiter öffentlicher Wahrnehmbarkeit? Wie kann in diesem Grenzbereich Qualität gewährleistet werden? Weiterlesen

Events: Re:publica, Barcamp Ruhr & Politcamp

Future of Social Media

Future of Social Media

(gefunden bei Sprechblase)

Während das rheinische Wetter zwischen regnerisch und schauerlich wechselt, steigt meine Vorfreude auf die anstehenden Events, so z.B. das Barcamp Ruhr (28./29.03.09, Essen), die re:publica (01.-03.04.09, Berlin) und das Politcamp (02./03.05.09, Berlin).

  • Beim Barcamp Ruhr möchte ich gern etwas über Vertrauen online sagen und mit den anderen Teilnehmern über die Frage diskutieren, weshalb Vertrauen online ein Problem darstellt, wie Vertrauen online konstituiert wird und was wir uns unter einem vertrauenswürdigen Internet vorstellen können.
  • Bei der Re:publica09 haben wir eine Session „Shifting culture! Shifting what?“ zusammen gestellt. Lars Alberth wird vortragen zum Thema “Ein digitales Rom oder Welches Kostüm trägt der kulturelle Wandel im Netz? – Eine kleine Ikonographie der re:publica”. Ich spreche zum Thema “Web 2.0 zwischen sozialer Bewegung und Geschäftsmodell. Konsequenzen der digitalen Gesellschaft”. Und Benedikt Köhler trägt vor zum Thema “Social Media ist wie da sein – The Global Village Revisited”.
  • In der Session „Digitale Identität“ der re:publica09 werde ich über das „Digitale Ich“ sprechen und erläutern, weshalb Online-Identität und Offline-Identität zwei Seiten ein- und derselben Medaille sind und auf die Besonderheiten von Online-Identität als sozialer Praxis eingehen.
  • Und im Mai 2009 steht eine Veranstaltung an, auf die ich mich vor dem Hintergrund der Ödnis deutscher Parteienpolitik, Parteidisziplin, dem längst überfälligen Bundestagswahlkampf  nach vier Jahren großer Koalition und ihrem Verrat an der Sozialen Marktwirtschaft  besonders freue – das Politcamp.

Natürlich möchte ich auf allen drei Event viele Leute kennen lernen, wieder treffen und viel viel lernen 🙂

Neues aus der Rundfunkanstalt. Oder: Vertrauen im Netz durch Überwachung?!

Würde Max Weber, der bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine düstere Zukunftsvision von bürokratischer Herrschaft als stahlhartem Gehäuse der Hörigkeit formulierte, das wie ein gigantischer Krake alle Lebensbereiche der Menschen beherrscht, heute leben, die Landesanstalten für Medien (z.B. BLM, LfR) böten Weber reichlich Stoff für weitere Ausführungen. Der Glaube die Welt würde besser, der Finanzmarktkapitalismus ziviler, die Sozialsysteme gerechter, die Forscher effizienter, die Studierenden fleißiger, wenn man sie nur in der richtigen Richtung und in der geeigneten Weise regulieren, muss seine Ursprünge in Deutschland haben. Seit einiger Zeit melden sich vermehrt gut informierte Stimmen, die auf Regulierungsbestrebungen politischer Akteure auch in Bezug auf das Internet hinweisen, z.B. auf angedachte Sperren des Internetzugangs.

Seit dem Jahr 1982 (Erfindung des TCP-IP-Protokolls), mehr noch seit Beginn der 1990er Jahre (Erfindung des WWW) wächst und verbreitet sich das Internet als eine sich selbst organisierende Technologie, ein selbst organisierendes Medium und die Szene rund ums Social Web hat sich Selbstorganisation als Organisationsprinzip angeeignet. Mit Entstehung und Verbreitung des Social Web sind neue Formate wie z.B. Weblogs, Wikiwebs, Social Bookmarking, Social Networking Sites, Podcast, Photo, Video oder dem Livestream ins Internet, die sich mithilfe von APIs zu neuen Online-Angeboten rekombinieren lassen. Zudem ist es dank RSS und Open APIs leicht möglich, statischen Content in dynamische Ströme zu transformieren und aus bestehenden Online-Angeboten neue zu generieren. Jeder Bürger hat die Möglichkeit, Content zu produzieren und in Echtzeit global zu verbreiten. Hinzu kommt, dass sich Kommunikation im Netz nicht länger als One-Way-Kommunikation von einem Sender zu vielen Empfängern statt findet. Vielmehr sind aktive Internetnutzer Prodnutzer. Charakteristisch für Prodnutzung ist, dass aktive Internetnutzer in ein- und demselben Kommunikationsakt Sender und Empfänger gleichzeitig sind, weil sie Inhalte erstellen, kritisieren, verbessern, bewerten und kommentieren. Selbst wenn man einen Inhalt scharf kritisiert und im Kommentar widerspricht, fügt man ihm etwas hinzu, und der Produzent erhält Gelegenheit zu weiter Verbesserung, Aktualisierung oder Differenzierung. Auch Live-Streams ins Internet wie z.B. bei Mogulus, Qik und Make.TV sind Prodnutzung: Ein Prodnutzer streamt Bewegtbild live ins Internet, und andere Prodnutzer geben zeitgleich Feedback und Impulse, z.B. mithilfe der Chatfunktion.

Im Juli 2008 änderte die bayrische BLM die Fernsehsatzung dahingehend, dass Livesteaming im Internet mit über 500 gleichzeitigen Zugriffsmöglichkeiten genehmigungspflichtig und ab 10.000 potenziellen gleichzeitigen Nutzern wie Kabelsender zu behandeln sind. Dabei legt die BLM eine Richtlinie zugrunde, die im 12. Rundfunkstaatsvertrag steht, welcher im Herbst 2008 auf der Ebene der Europäischen Union beschlossen wurde. Bedingt durch die Medienkonvergenz trifft im Internet  regulierungspflichtiger Rundfunk auf eine Vielzahl nicht regulierter Online-Angebote. Zwischen die Fronten der Auseinandersetzung zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanbietern geraten zunehmend Angebote aus den Bereichen Bildung, Forschung und Kultur, die sich erst mit dem Social Web entwickeln und verbreiten und sich der Zuordnung zu Presse, Rundfunk oder Fernsehen entziehen. Historisch ist die Rundfunkrechtsprechung aus der Knappheit für Rundfunk- und Fernsehlizenzen mit Einführung von privatem Rundfunk und Fernsehen im Jahr 1984 entstanden. Auch bezieht die Institution des Rundfunkrechts ihre politische Legitimation aus der durch den Nationalsozialismus begründeten Angst, politische Akteure könnten Massenmedien zur Manipulation eines passiven Publikums verwenden. Daher ist in Deutschland z.B. das Staatsfernsehen verboten. Zugleich ist in Deutschland die Pressefreiheit besonders geschützt, z.B. durch das Spiegel-Urteil.

Die BLM hatte im Oktober 2008 auf die Diskussion reagiert und sich zum Dialog bereit gefunden, auch im Rahmen einer Online-Podiumsdiskussion. Diese Podiumsdiskussion mit der AG Social Media fand am Mittwoch, den 04.02.09, eine Podiumsdiskussion unter Beteiligung von Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring (Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien) und Thomas Langheinrich (Vorsitzender der Kommission für Zulassung und Aufsicht, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg), Frank Tente (Gestalter des Online-Angebots der Duisburger Symphoniker) und Jörg Blumtritt (Vorsitzender AG Social Media) statt. Moderator der nicht immer einfachen Live-Schaltung war Luca Hammer. [Diskussion in voller Länge, ca. 90 Minuten].

Darin teilten die Präsidenten der Rundfunkanstalten von Bayern und Baden-Württemberg mit, dass eine Lizenz zum Betreiben eines Internet-Livestreaming € 5000 kosten werde.

Ich möchte, die Argumente der AG Social Media aufgreifend, in acht Punkten ausführen, weshalb ich die geplante Genehmigungspflicht für überflüssig und für kontraproduktiv halte:

1. Die geplante Genehmigungspflicht ist ein massiver Eingriff in das Bürgerrecht, den eigenen Glauben, das Gewissen und die Weltanschauung öffentlich zu artikulieren und zu verbreiten. Weshalb wird das Verteilen eines Flugblattes auf der Straße, das Sprechen mit einer Sprechtüte auf einer Demo als unproblematisch erachtet, das Live-Streamen ins Internet hingegen nicht? Weshalb dürfen Bürger ihre Nachrichten, ihren Glauben, Gewissen und Weltanschauung im Internet verbreiten, wenn das Bekenntnis in Form von Text, Photo, Podcast oder Video erfolgt, und sollen dann eine Genehmigung brauchen, wenn es live ins Internet gestreamt wird? Die sich beständig erweiternden Möglichkeiten der öffentlichen und teil-öffentlichen Meinungsfreiheit in der digitalen Welt dürfen nicht einem behördlichen Regulierungseifer geopfert werden. Zudem werden soziale Ungleichheiten verfestigt: Für den einen stellen € 5000 kein Problem dar, für den anderen ist derselbe Betrag eine unüberwindliche Hürde. Somit steht die geplante Genehmigungspflicht für Live-Streaming ins Internet auch mit dem Gleichheitsgrundsatz im Konflikt. Weiterlesen