Über Online-Reputation wird viel geschrieben, v.a. seit mit Social Networking Seiten wie Xing, Facebook, LinkedIn, ClaimID, MyOnID, Yasni oder dem Reputation Defender Geschäftsmodelle entstehen, welche ein „Management“ Reputation vorschlagen und teils dezent, teils offenkundig, von Ängsten der Nutzer vor Reputationsbeschädigung profitieren möchten. Zu den Schriften über Online-Reputation gehört auch das neue Buch „Karrierefalle Internet“ des Public-Relations-Beraters Klaus Eck, online bekannt als PR-Blogger. Thematisch passt es hervorragend zum Hauptseminar „Soziologie des Internet“ an der Universität Würzburg. „Managen Sie Ihre Online-Reputation, bevor andere es tun“, lautet der Untertitel des beim Hanser-Verlag erschienenen Buches. Aufgrund der Handlungsrelevanz für die Teilnehmer an der Schwelle zum Berufsstart habe ich das Buch „Karrierefalle Internet“ gern in die Seminarlektüre aufgenommen. Seinem Reputationsbegriff allerdings möchte ich jedoch einen Reputationsbegriff aus der Soziologie entgegensetzen und greife dabei auf meine Dissertationsschrift und mein aktuelles Interesse zu Vertrauen im Netz zurück.
Eck hat mit seinem Buch „Karrierefalle Internet“ einen starken Punkt gemacht: Entgegen der Tonlage vieler herkömmlicher Medienanbieter, in denen die Vertrauenswürdigkeit des Internet per se infrage gestellt wird, sieht er die Reputation einer Person oder oder einer Organisation viel mehr dann in Gefahr, wenn eine Person oder Organisation keine Kenntnis davon hat, welche Informationen über sie im Internet kursieren. Eck nimmt Personen und Unternehmen als reale Akteure ernst. Er diskutiert Schädigungen, die diese Akteure erleiden können. Er greift auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz der Nutzung und (Mit-)Gestaltung der „Web 2.0“ Dienste zurück. Eck tritt dem Bild der Online-Reputation als einem Angst-Faktor fentgegen, und er rät Personen und Unternehmen zu einer aktiven Nutzung des Internet, um Potenziale für eine Verbesserung der eigenen Reputation auszuschöpfen. Dies sind Stärken, wie ich sie mir von vielen anderen Büchern wünschen würde, und im Internet gehört der Autor zur Gruppe von First Movern, die mit ihrer offenen und zugänglichen Selbst-Präsentation und kontinuierlichen Aktivität für eine breitere Internetöffentlichkeit Maßstäbe setzen.
Würde Klaus Eck seinem Buch einen soziologischen Reputationsbegriff zugrundelegen, könnten die Potenziale des Internet für Reputation, Social Networking und Identität jedoch viel besser ausgeschöpft werden: Reputation ist ein symbolisch generalisiertes Interaktionsmedium. Das heißt, Reputation zirkuliert – analog zum Geld – in Sozialsystemen, und kann zwischen dem Netz und dem „echten“ Leben in beiden Richtungen übertragen werden. Ein Akteur mit viel Reputation kann sowohl online als auch offline Gebrauch davon machen. Eine Person mit hohem Ansehen außerhalb des Internet kann sich in sehr kurzer Zeit online einen Namen machen, und umgekehrt kann eine sehr gute Online-Identität auch auf die Offline-Reputation in Beruf und Privatleben ausstrahlen. Der Wertmaßstab für Reputation das Vermögen eines Akteurs (Person, Gruppe, Organisation, Institution, Staat etc.), für seine Themen und Anliegen Konsens zu erzielen. Verfügt man selbst nur über wenig Reputation, muss man enormen Aufwand betreiben, und es kommt doch wenig dabei heraus. Wer viel Reputation akkumuliert hat, kann mit geringem Aufwand ein hohes Maß an Konsens erzielen. Wem Reputation für seine Vorhaben fehlt, muss sich Reputation leihen. Wenn ein Projekt erfolgreich umgesetzt wurde (z.B. unternehmerisches Projekt, Forschungsprojekt, Konferenz, politische Kampagne), können Reputationsgeber und Reputationsnehmer einen Reputationsgewinn realisieren, im Fall des Scheiterns erleiden beide einen Reputationsverlust. Wo Reputation zirkuliert, kann die Menge an Reputation im Sozialsystem insgesamt steigen oder fallen, und sie kann inflationäre und deflationäre Prozesse durchlaufen. Inflation von Reputation bedeutet, dass man zu einem Zeitpunkt t1 viel mehr Aufwand betreiben, eine sehr viel vorteilhaftere Selbstdarstellung von sich abgeben muss, um Konsens zu erzielen und Vertrauen zu gewinnen, als zum Zeitpunkt t0. Deflation von Reputation bedeutet, dass es zu einem Zeitpunkt t1 bedeutend leichter geworden ist, um Konsens zu erzielen und Vertrauen zu gewinnen, sich Fehler, Schwächen und Mängel der Selbstdarstellung also weniger fatal auswirken als zuvor. Damit wird klar, dass Reputation etwas Soziales ist. Reputation entwickelt sich dynamisch. Es genügt nicht, Reputation lediglich statisch als Attribut eines Akteurs zu betrachten.
Der soziale Charakter der Reputation und der dynamische Prozess ihrer Konstitution schließen per Definition aus, dass Akteure ihre Reputation individuell kontrollieren, überwachen, geschweige denn „managen“ können. Denn dies würde ja voraussetzen, dass die Reputation dem Akteur gehört bzw. dass er sie beherrschen kann. Vielmehr tauschen sich Akteure über Dritte aus. Das heißt, sie erzählen einander Geschichten (wahr oder falsch) über Dritte (positiv oder negativ). Zwar kann ein Akteur, der über ein sehr großes, breit gestreutes Netzwerk positiver Beziehungen verfügt, hoffen, dass mehr mehr positive und weniger negative Geschichten über ihn im Umlauf sind. Doch eine Garantie dafür gibt es nicht. Erst recht hat der Akteur keine Möglichkeit, negative Narrationen zu verhindern. Eine Person, z.B. eine Führungskraft eines Großunternehmens oder ebenso ein aktiver User mit sehr hohem Bekanntheitsgrad muss stets damit rechnen, dass auch negative Narrationen über ihn oder zirkulieren. Man kann ein weit gespanntes Interaktionsnetzwerk als Ressource aufbauen, oder man kann die Sozialbeziehungen, deren Teil man ist, als Gefahr über potenzielle Negativ-Narrationen fürchten, die bis hin zum Rufmord reichen könnten und sich dann fatal auf weitere Karrierechancen auswirken würden. Dritte könnten etwa die fachliche Kompetenz infrage stellen, einen als unzuverlässig charakterisieren oder einem sogar negative Charaktereigenschaften unterstellen. Zur Verbesserung der eigenen Reputation kann ein Akteur also ein sehr umfangreiches und weit gespanntes Netzwerk an positiven Beziehungen etablieren und hoffen, dass sich das Netzwerk zu einer Ressource für die eigene Reputation entwickelt, auf die man jederzeit rekurrieren kann (gilt online, aber selbstverständlich auch offline).
Doch was bleibt also für den Aufbau der eigenen Online-Reputation, wenn ein weit gespanntes Interaktionsnetzwerk allein keine Garantie für eine positive Reputation bietet? Man offeriert eine positive Selbst-Definition für andere an. Man baut eine Homepage bzw. ein erweitertes Interaktionsangebot auf, das sich explizit als Einladung versteht, als „Tür“ zur eigenen Wohnung versteht. Man bemüht sich, positive Beziehungen zu etablieren: Freundschaft oder Bekanntschaften, Kooperation, wechselseitige Unterstützung, und man erhofft und erwartet, dass dieses Interaktionsangebot angenommen und erwidert wird. Darüber hinaus etabliert Regeln, Rollen, Routinen und Verfahren, für die man einsteht und die repräsentieren, was man sein möchte: eine kompetente, verlässliche, aufrichtige Person. Nach allem, was ich bisher auf den „Web 2.0“- Diensten erlebt habe, ist dies genau, was die reputiertesten Vertreter der Szene im praktischen Gebrauch und der Gestaltung des Internet ohnehin tun, gleich welchen Reputationsbegriff sie zugrunde legen, häufig können sie dabei auf einen beeindruckenden Schatz an Erfahrungswissen zurückgreifen. Ich deute Ecks Buch dahingehend, dass der einladende Charakter des Online-Angebots einer Person oder eines Unternehmens das Hauptanliegen und Hauptaussage ist. Deshalb soll „Karrierefalle Internet“ in Kombination mit soziologischen Theorieansätzen besprochen werden. Den Schluss für diesen Beitrag überlasse ich diesen beiden Herren:
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