Monatsarchiv: August 2008

Lost in Deutschland – Bundesbahn edition

Lost in Deutschland“ ist dieser freundliche Zeitgenosse aus dem Vereinigten Königreich, und er bietet für „Der Westen„, das Portal der WAZ-Mediengruppe, ein schönes und spannendes journalistisches Videolog aus meiner geliebten Heimatregion an. Doch fallen mir beim Thema Lost in Deutschland doch noch ein paar andere Punkte ein als Fernmeldetürme, Städtebahnen und deutsches Brot. Da stehe ich also im Reisezentrum des Düsseldorfer Hauptbahnhofs in der Schlange wartender Fahrgäste, die ohne Weiteres hinzunehmen bereit sind, gut 30 Minuten in zwei Reihen anzustehen, während die Fahrgäste der ersten Klasse und hohen Punktekontos unmittelbar bedient werden. Hinter mir ein Reisender aus Singapur. Da kommt das Gespräch auf, weshalb man sich in die Schlange stellt, wo es doch die Automaten gibt. Bei mir war’s die Tatsache, dass zwei Personen gemeinsam reisen und den für sie jeweils günstigsten Tarif bekommen wollten, die Eingabe ins Menü ein Weilchen gedauert hätte und ich gern bar zahlen wollte. Von den Kollegen, die einem mit dem Menü behilflich sind und auch mal Geld wechseln können, war im Augenblick niemand in Sicht. Der Fahrgast aus Singapur merkte nur an, dass die Automaten der Bundesbahn nur die deutsche Sprache anbieten. Da schaut man sich in der Schlange um und stellt fest, dass vor allem die älteren und hochbetagten Reisenden, die kränkeren, die ärmeren Menschen und viele Ausländer anstehen. Und nun die Bahnpreisreform, die am 14. Dezember mit saftigen Preiserhöhungen in Kraft tritt: Verteuerung der Bahncard um 3,9 Prozent, Verteuerung der Bahnfahrten um 3,9 Prozent. Und jetzt noch der Bedienzuschlag von € 2,50 für Buchungen per Telefon und am Schalter. Hier geht es nicht nur darum, dass der Bedienzuschlag das Gegenteil von Serviceorientierung bedeutet. Hier geht es nicht allein darum, die grenzenlose Dienstleistungsorientierung der Bahn zum Ausdruck zu bringen. Auch geht es nicht darum, den Fahrgast zum arbeitenden Kunden zu erziehen, der durch Eingabe seiner Buchung zum Einsparen des Servicepersonals beiträgt. Das ist ja durch das Onlineangebot – auch ohne Sanktionen – bereits erreicht worden, wie dieses Zitat aus der SZ belegt, indem die Bahn auf den Vorwurf der Verbraucherfeindlichkeit reagiert:

Die Bahn entgegnete, dass inzwischen knapp 60 Prozent der Fahrkarten im Internet oder am Automaten gekauft würden. Also ändere sich für die Mehrheit der Kunden bei der Zuschlagsfreiheit nichts.[SZ]

Portal Deutsche Bahn

Portal Deutsche Bahn

Zurück zuhause bin ich ans Netz geeilt und habe dies gefunden: Das Portal der Bundesbahn wird auf deutsch, englisch, französisch, spanisch, niederländisch, italienisch, polnisch und türkisch angeboten. Russisch, arabisch und asiatische Sprachen sind nicht vertreten. Wer eine der angebotenen sieben Sprachen in Wort und Schrift beherrscht und außerdem mindestens eine EC- oder Kreditkarte verfügbar hat oder Lastschriften veranlassen kann, kann sein Ticket online lösen. Nicht so, wer keine dieser sieben Sprachen spricht, wer nicht ins Netz kommt (vor allem alte und hochbetagte Bürger, Analphabeten) und Personen, die nur in bar bezahlen können. Ein Unternehmen, das nach wie vor zu 100 Prozent dem Staat gehört, diskriminiert mit seiner Preispolitik sozial benachteiligte Gruppen. M.E. ist das ein Fall für die Bundesnetzagentur. Seit 2006 ist die Bundesnetzagentur auch für den Eisenbahninfrastrukturmarkt zuständig. Wir dürfen geeignete Regulierungen erwarten, um Wettbewerb zu bekommen, wo Wettbewerb wünschenswert ist und Monopolanbieter ihre dominierende Stellung gegen Verbraucherinteressen ausnutzen.

P.S. Nur in einem Land, in dem Revolutionäre sich eine Fahrkarte kaufen, bevor sie einen Bahnhof stürmen, stellen sich wohl Raucher in gelb markierte Zonen (im Freien). Wenngleich ich von dieser Regelung selbst nicht betroffen bin, weckt das äußerst ungute historische Assoziationen. Es gibt also noch viele – auch weniger gefällige – Themen für Lost in Deutschland.

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Extra-leichtes Heizöl, Laptops und Mädchenröcke. Plädoyer für aussagekräftigere Sozialstatistiken am Beispiel Preise

Irritierend, wie zufrieden sich die große Koalition ein Jahr vor der Bundestagswahl 2009 präsentiert, obgleich die Wirtschaft bereits schrumpft, die Erwerbslosigkeit nach wie vor hoch ist, viele Erwerbstätige in in zeitlich befristeten und gering vergüteten Beschäftigungsverhältnissen arbeiten und sich die Schere der Einkommen und Vermögen weiter öffnet (dies mal abgesehen davon, dass CDU und SPD um die Wette an Mitgliedschaft einbüßen). Ver.di berichtete im September 2007, dass 2,5 Millionen Deutsche mit Armutslöhnen, 440 000  sozialversicherte Vollzeitbeschäftigte sogar auf Hartz IV angewiesen sind. 18 Prozent aller Erwerbstätigen sind Mini-Jobber, weitere 600.000 Beschäftigten arbeiten als Ein-Euro-Jobber. Auch die Zahl der Leiharbeiter habe sich mit 650.000 gegenüber 2003 verdoppelt. Erst heute wurde eine soziologische Studie bekannt, derzufolge die Realeinkommen von Geringverdienern in den vergangenen Jahren um fast 14 Prozent gesunken sind. Betroffen sei ein Viertel der Arbeitnehmer, sagte Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Dagegen habe das oberste Viertel der Beschäftigten zwischen 1995 und 2006 ein reales Lohnplus von 3,5 Prozent verbucht [ZEIT, FR; WSI 08/2008]. Kürzlich hatte ich darüber geschrieben, dass ausgehend von der US-Immobilienkrise die Rezession aus den Vereinigten Staaten rasch zu uns nach Deutschland herüber schwappt und sich unter den Bedingungen des Finanzmarktkapitalismus drastischer auswirkt als in der „Deutschland AG“ bis Mitte der 1990er Jahre. Kaum zwei Tage nach dem Beitrag mehrten sich Presse- und Analystenstimmen, die auch in Deutschland von einer Rezession schrieben. Unter den Bedingungen der einsetzenden Rezession dürfte sich die Lage noch ein gutes Stück weiter zuspitzen.

verbraucherpreisindex

verbraucherpreisindex

Im Zusammenhang mit der angeknündigten neuen Energie-Preisrunde möchte ich mich mal der Inflation zuwenden. Zwar wird kaum jemand meinem subjektiven Eindruck der ‚gefühlten‘ Preissteigerung widersprechen, doch wirklich erschreckt bin ich erst, als der individuelle Inflationsrechner bei Destatis für mich knapp die doppelte der durchschnittlichen Inflation auswies. Allerdings bleibt der jährliche Gesamtpreisindex für den Einzelnen eine abstrakte Statistik mit geringem Nutzen. Aufschlussreicher wird die Statistik bereits, wenn man sich die Aufschlüsselung nach Produkten anschaut: Zitronen, extra leichtes Heizöl, Gas, Mehl, Pflanzenöl und Nudeln haben sich drastisch verteuert, Mädchenröcke, Personalcomputer und Musikdownloads sind günstiger geworden. Superbenzin und Dieselsprit unterliegen einer starken Inflation. Bei  Bierpreisen in der Gastronomie bleibt die Preissteigerung hingegen moderat [Preismonitor Destatis].

Anders als der persönliche Inflationsrechner von Detstatis suggeriert, ist jedoch die individuelle Betroffenheit von den Preissteigerungen nicht Schicksal oder Dummheit, sondern Ergebnis biographischer Faktoren und sozialer Lagen. Damit kommen soziale Faktoren ins Spiel, welche der Einzelne kurzfristig durch Kaufs- oder Verkaufsentscheidungen nur sehr bedingt ändern kann. Der persönliche Preisindex von Destatis spiegelt – so mein Verdacht – eher die soziale Lage als begüteter oder eben weniger begüterter Konsument wieder, und eine über- oder unterdurchschnittliche Preissteigerung ergibt sich nach dem Destatis-Index als Konsequenz aus der sozioökonomischen Lage. Da arme und von Armut bedrohte Menschen einen Großteil ihres Einkommens für Wohnung, Grundversorgung und Nahrungsmittel aufwenden müssen und die Teuerung in diesen Bereichen während der vergangenen 12 Monate besonders drastisch ausfiel, ist diese Gruppierung überdurchschnittlich von der Inflation betroffen [siehe auch Spiegel]. Besonders hart sind diejenigen von den aktuellen Preissteigerungen betroffen, bei denen Armut bzw. sozialer Abstieg mit spezifischen sozialen Problemlagen zusammen treffen, die Unsicherheit schaffen: Arbeitslosigkeit, Trennung eines Elternpaares, ein Pflegefall, Überschuldung oder eine Kombination solcher Problemfaktoren. Das Institut für Finanzdienstleistungen weist 3,5 Millionen Haushalte mit Überschuldung auf und macht deutlich, dass 80 Prozent der Überschuldeten arm sind [IFF-Studie 2008; Dörre APUZ 2008].

Ich würde mir einen sozialwissenschaftlich informierten persönlichen Preisindex wünschen, der soziale Ungleichheit besonders berücksichtigt. Der sollte nicht individuelle Konsumentscheidungen zugrunde legen und lediglich Produktgruppen gewichten, sondern zunächst in Form einer Online-Umfrage Basisdaten über die soziale und wirtschaftliche Lage des Verbrauchers abfragen, Warenkörbe separat nach Konsummustern der Unter-, Mittel- und Oberschicht zusammenstellen und auf Grundlage der Kombination von sozialer Lage des Verbrauchers und ‚typischen‘ Unter-, Mittel- und Oberschicht-Warenkörben eine individuelle Inflation berechnen. Analog würde ich mir auch sozialwissenschaftlich informierte Gesamtpreisindizes wünschen, welche die Inflation ausgehend von sozialer Schichtung untersuchen, Preissteigerungen für Ober-, Mittel- und Unterschichthaushalte separat ausweisen und nach demographischen Basisdaten gewichten. Bei diesem Zugang würde also der Mensch in seiner sozialen Lage in den Mittelpunkt der Inflationsberechnung gestellt.

Selbstverständlich würden mit dieser Form der Statistik allein weder Armut noch Preissteigerungen bekämpft, doch ließe sich klarer zeigen, dass arme und von Armut bedrohte Menschen typischen Strukturmustern und Zeitabläufen folgend von Inflation betroffen sind, und dass Inflation bei bestimmten Gruppen eher ins wirtschaftliche Aus führt als bei anderen. Preisindizes, die soziale Lagen berücksichtigen, würden transparent machen, dass Inflation die klassischen Problemlagen verschärft, die ohnehin eine Armutsgefährdung bedeuten, und zwar bei den für Unterschichthaushalte wichtigen Produkten wie Nahrungsmittel und Energie in besonders drastischer Weise. Die so geschaffene Transparenz könnte eine geeignete Argumentationsgrundlage für die politische Steuerung liefern, um Preissteigerungen in kritischen Produktgruppen in Kenntnis der Strukturmuster und Verläufen steuernd entgegenzuwirken, um Anreize für die private Vorsorge für die Bürger zu schaffen bzw. zu verbessern und um von Armut bedrohte oder betroffene Bürger besser zu beraten. Andererseits könnten z.B. sozialhilfeabhängige Haushalte vor dem Hintergrund ihrer Daten nachdrücklich argumentieren, wie viel drastischer als im Durchschnittshaushalt sich die enormen Preissteigerungen bei Basisgütern wie Lebensmitteln und Energie in ihrer Haushaltskasse niederschlagen, und sie könnten aufzeigen, an welcher Stelle sie mit den gegebenen Sozialhilfesätzen an Grenzen ihrer Einsparmöglichkeiten kommen.

Open Studio Day of Art Photographer Renate Guenther

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Screenshot video

Screenshot of Video „IRRTIEF“, Renate Guenther, 2008

Deutsch: Dies ist eine spontane Einladung zum Atelierbesuch anlässlich des Tages der offenen Tür der Künstlerin Renate Guenther – meiner Mutter – die ihr Atelier im Rahmen der Aktion Düsseldorfer Kunstpunkte (280) öffnet. Das Atelier Walzwerkstraße 14, Düsseldorf, 2. Etage ist am Samstag, den 23. August von 14 Uhr bis 20 Uhr und am Sonntag, den 24. August von 12 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Damit man sich nicht mit den Einzelheiten der Geographie herumplagen muss, wird auch ein Shuttlebus angeboten, der Besucher zu den Kunstpunkten bringt. Zu sehen gibt es feine Videokunst. Natürlich werde ich auch dort sein. Wir freuen uns auf viele Besucher !! 🙂

Englisch: This is a spontaneous invitation to Renate Guenther’s studio in Düsseldorf. Renate Guenther – my mother – opens her studio on saturday and sunday.The open studio is part of Kunstpunkte Düsseldorf 2008 (280). Adress is studio Walzwerkstraße 14, Düsseldorf, 2. floor.  If you do not want to bother with the geography of Düsseldorf, a Shuttlebus will take you to all sites in a three hour tour. Renate Guenther’s studio is open on saturday August 23 from 2 p.m. to 8 p.m. and on sunday August 24 from 12 a.m. to 6 p.m. Come and see fine video art. Of course, I will be there, too and we look forward to many visitors!! 🙂

Anthropological introduction to YouTube

Mike Wesh and his digital anthropology working group at Kansas State University have taken the dense description to a new level. We learn about numa luma, the impact of first movers, participatory observation, the context collapse, re-cognition, mediated self-awareness and self-reflection, gaming the system, the shift of identity with a webcam and the consequences of collaborative social production.

Olympic confessions & doubts

olympic poster

Admittedly, I watch it, and I enjoy it. For these two summer weeks, I avoid the lure of sun to sit on my couch and watch as nearly naked people perform curious acts on TV. I was glued to the screen when Michael Phelps won his eight olympic medals and Usian Bolt broke the records in the 100 and 200 meter sprints. I was watching when the chinese team beat their German counterparts in basketball, when the German teams dropped out of their tournaments in beach volleyball, gymnastics, rowing and table tennis. I shared the happiness when Hinrich Romeike had this disbelieving smile after winning his two gold medals in the Equestrian competition, Fabian Hambüchen looked rather sad though even he won a bronze medal and I am happy that Germany still ranks higher than Jamaica 😉

same dresscode for men and women?!

Across the two-plus weeks of the Beijing Olympics, German TV stations will have broadcast thousands of hours of live coverage, documentaries and commentary and I will have spent countless hours watching. By that one means that I was invited to ogle an ongoing parade of muscled and lithe and rippling and occasionally perplexing bodies performing more or less aesthetic exercices  (this comes after two events this summer, the European soccer championship and the Tour de France…).

Unpolitic olympics?!

Since the very first olympics of modern history in 1896, the olympic movement has always involved a political dimension. So it was when the olympic games were awarded to in Berlin in 1936, to Moscow in 1980, and now to Beijing. In 2001, the olympic bid was awarded to China with the promise that the olympic games in Beijing would contribute improving freedom to the chinese population. Now, we witness Chinese authorities exert a strong regime on political activists and putting restraints on media coverage. China’s President Hu Jintao warns journalists that politicizing the Olympics runs counter to the Olympics’ spirit: „It is inevitable that people hold divergent views on issues, but politicising the Olympics would not address those issues,“ (via) and upholds a repressive policy on journalists as you can watch in this ITV News report (via). IOC’s president Jaques Rogge even refused to apologize when admitting that freedom of the press is only guaranteed within chinese law such that some internet sites remain blocked: „We are not running the internet in China„, Rogge said. No wonder that the leading official of the Beijing organizing committee is not reluctant to criticize western media for their coverage of the olympics and has yet to approve political protests.

So, was Beijing 2008 a mistake? Will China 2008 add another dark chapter to the history of the olympic movement as did Berlin in 1936? In spite of China’s and the IOC’s attempts at denying the political dimension of the olympics and the phony manner the IOC is handling the issue of suppressing the freedom of expression in media coverage alltogether, which makes the IOC a really weak institution, I hope that the olympic games will contribute to an opening and democratization of chinese society in the years (probably rather decades) to come. China can take an enormous pride in their enormous achievement in hosting the olympics, in their athletic achievements and being at the core of international attention. Yet, It cannot be ignored that Amnesty International has a critical debate on the human rights legacy of the Beijing Olympics, and western nations must confront China with clear expectations: freedom of expression, significant and lasting improvements in human rights.

Why not Olympics for kids?

I find it a heartbreaking rather than joyful experience to see teenage olympians (e.g. in gymnastics) bend their young bodies. [see The Ledger, via Rachel’s Tavern] Why can we not have a special olympic competition for athletes younger than 18, combined with a tough control system demanding strong medicinical evidence that participants in the regular olympic competition are at least 18 years old? Having established a seperate olympic competition for kids, one could compare their athletic achievements (how can one compare the results of a 12 year old with those of a twenty, thirty or forty year old?!). Moreover, we could foster the young talents‘ athletic development, better ensure they go to school and monitor their training programs making sure they are appropriate for their age. [Update: According to Spreeblick blogger Stryde has revealed that one Chinese gymnast named He Kexin is too young to participate in the Olympic games with only 14 years of age. Gymnasts have to be 16 during the Olympic year to be eligible for the games. Spiegel Online (German) has taken up the story, as well.]

Kreativität Kreidler-Style

Der Komponist Johannes Kreidler hat ein Musikstück komponiert, in dem er nach eigenen Angaben 70200 Fremdzitate – Zitate anderer Musikstücke – verarbeitet hat. Die Länge des Musikstücks beträgt 33 Sekunden. Als Urheber möchte Kreidler sein Stück bei der GEMA ordnungsgemäß anmelden. Die formal korrekte Werkanmeldung erfordert die Angabe fremder Werkanteile, sowie gegebenenfalls die Lizenz des fremden Urhebers. Um sein Stück ordnungsgemäß anzumelden, muss Kreidler also für jedes der 70200 verwendeten Musikstücke in seinem eigenen Werk ein Formular ausfüllen. Die entstehenden 70200 Formulare möchte der Komponist am 12. September 2008 bei der GEMA in Berlin abgeben.

Mit dieser Protestaktion „Productplacements“ möchte Johannes Kreidler auf Schwächen und Mängel des geltenden Urheberrechts aufmerksam machen, bei dem unberücksichtigt bleibt, dass eine kreative Leistung – gleich ob in Musik, Kunst, Wissenschaft und Bildung oder Wirtschaft (z.B. Entwicklung neuartiger Produkte und Verfahrenstechniken) – das Speichern, Kopieren, Verbreiten und Remixen vorhandener Werke voraussetzt. Ganz besonders betrifft das Urheberrecht auch die Bereiche von Kultur, Wissenschaft und Bildung, wo es Kreativität der Musiker, Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler und akademischer Lehrer einschränkt, ihr kreatives Tun sogar zum kriminellen Vergehen macht, wenn es Kopien involviert. Dabei entsteht aus der kreativen Rekombinationen vorhandener Musikstücke, Bilder, Videos, Texte und anderer Medien etwas originär Neues! Hier der Trailer zu Kreidlers Protestaktion „Product Placements„:

[via, via, English version]

Kreidlers Protestaktion fügt sich in einen einen breiteren Kontext ähnlicher Ideen und Werke ein, die im Zeitgeist liegen. Der britische Künstler Idris Khan beispielsweise verwendet in seinen Fotografien und Videos digitale Überblendungen gefundener Bilder, Texte oder Partituren. D.h. Idris Khan bildet in einem seiner eigenen Werke jeweils hunderte Werke anderer Künstler, Komponisten oder Musiker ab. Die Düsseldorfer Kunstsammlung NRW hat dazu im Frühjahr 2008 eine Ausstellung präsentiert [Bericht auch bei fokussiert].

Die Tatsache allein, dass es ähnliche Werkkonzepte und Aktionen gibt, tut Kreidlers Aktion, wie ich finde, keinen Abbruch. Das Neue liegt in der Luft und kann von verschiedenen Künstlern, Musikern, Schriftstellern, Wissenschaftlern und anderen Kreativen an verschiedenen Orten gleichzeitig entdeckt und mit ihren Mitteln artikuliert werden. Das geltende Urheberrecht folgt jedoch der Idee des Genies, das in Einsamkeit und Freiheit ein Werk hervorbringt. Dass Kreativität aber auch anders funktioniert, haben Kreidler und Khan mit ihren Werken und Aktionen wunderschön zum Ausdruck gebracht. Chapeau!

P.S. Zum Genießen ein Video mit dem Titel „Music for the first Moonlanding“  mit einer Tonspur von Johannes Kreidler:

Urlaub!

Update: Ich habe wieder festen Boden unter den Füßen 😉 Die berühmte Sylter Seeluft hat ordentlich zur Erholung beigetragen. Die Reise mit dem Flieger nach Sylt ist mit nur einer Stunde Flugzeit ab Düsseldorf unendlich viel bequemer als die lange Autofahrt mit Reise über den Hindenburg-Damm, dafür ist die Mobilität mit dem Bus etwas mühsamer.

Watt, Krabben und frische Meeresluft statt Netz und Handy zwischen List und Westerland (meistens). Wettermäßig war von traumhaftem Sonnenschein über heftige Windböen bis Gewitter mit Sturzregen alles dabei, mit Wetterwechseln innerhalb einer Viertelstunde. Das Ganze nicht wirklich südseemäßig mit Temperaturen um die 20 Grad. Ein kleines Bilderset von Sylt habe ich hier zusammen gestellt.